Aktuelle Pressemitteilungen

And the winner is… ENDOLEASE!

PROJEKTTEAM VON ENDOLEASE GEWINNT AUCH DIE DRITTE PHASE DES BUSINESSPLAN WETTBEWERBS NORDBAYERN

Ein Interview mit den Entwicklern der weltweit ersten implantierbaren Plattformtechnologie zur superselektiven intraarteriellen Wirkstofffreisetzung: Dr. Anna Fleischer (Clinician Scientist und Projektleiterin) und Johannes Braig (Ingenieur und Medizinstudent).

 

Anna Fleischer im blau-weißen Sommerkleid und Johannes Braig im beigefarbenen Jacket halten auf der Bühne die  eingerahmte Urkunde hoch und strahlen in die Kamera.
Anna Fleischer und Johannes Braig nehmen für das ENDOLEASE-Team die Urkunde des 1. Platzes in der dritten Phase des Businessplan Wettbewerbs Nordbayern entgegen. © BayStartUP
Die Preisträger und die Jury stehen auf der Bühne mit einem riesigen Scheck über 10.000 Euro für ein Mediabudget der Main-Post
Das Team von ENDOLEASE freut sich über die Auszeichnung mit dem ersten Platz in der Kategorie „Global Hero“ beim Würzburger StartUP-Preis der Initiative Gründen@Würzburg. Sie konnten im Mainfrankentheater sowohl die Jury als auch das Publikum überzeugen. © THWS
Die Folie zeigt, wie das System aufgebaut ist. Äußere Membran, Fasergerüst mit Hydrogelträger, Innere Membran.
Die Grafik zeigt, wie das ENDOLEASE System mittels Ballonkatheter in die Arterie gesetzt wird, die Wirkstoffe in den Arterie abgibt und sich im Kapillarsystem verteilt.
Die Grafik zeigt, was ENDOLEASE kann, was Stents nicht können, nämlich Wirkstoffe in die Arterie abgeben, Stent hält Gefäß offen und gibt Wirkstoffe in die umliegende Gefäßwand ab, aber nicht in den Blutfluss.

Würzburg. Nach dem Gewinn der ersten beiden Phasen des Businessplan Wettbewerbs Nordbayern (BayStartUP) überzeugte das Team von ENDOLEASE nun auch in der dritten und finalen Phase. Damit sicherte sich das Team um Anna Fleischer und Johannes Braig nicht nur ein weiteres Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro, sondern auch die Auszeichnung als eines der vielversprechendsten MedTech-Projekte der Region. ENDOLEASE steht für „ENDOvascular reLEASE“. Dabei handelt es sich um die weltweit erste implantierbare Plattformtechnologie zur superselektiven, intraarteriellen Wirkstofffreisetzung. So funktioniert es: Das ENDOLEASE-System wird mit einem Ballonkatheter minimal-invasiv in eine Arterie platziert, die zum Zielgewebe führt. Die äußere Membran des bioresorbierbaren, röhrenförmigen Implantats grenzt das System vom Endothel ab. Darunter befindet sich ein Fasergerüst mit einem Hydrogelträger für die Wirkstoffe. Die Wirkstoffe werden über die innere Membran kontrolliert und gleichmäßig in den arteriellen Blutstrom abgegeben, sodass ausschließlich im Versorgungsgebiet der Arterie eine hohe Wirkstoffkonzentration erreicht wird. Dies steigert die Wirksamkeit, minimiert systemische Nebenwirkungen und erweitert das therapeutische Fenster, wodurch neue Therapieoptionen für schwer behandelbare Erkrankungen entstehen. 

Mit ihrer innovativen Idee und der bisherigen Entwicklungsleistung konnte das Team des Uniklinikums Würzburg bereits bei verschiedensten Wettbewerben überzeugen und wichtige Fördermittel einwerben. Im Interview schildern Dr. Anna Fleischer (34) aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik II sowie Johannes Braig (31) vom Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde FMZ, wie aus einer klinischen Beobachtung eine innovative Idee wurde, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit und Unterstützung aus Würzburg das Projekt möglich machen, und wohin die Reise mit ENDOLEASE noch gehen soll.

Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt gerade die dritte Phase des Businessplan Wettbewerbs Nordbayern gewonnen. Worum geht es denn in den einzelnen Phasen? 

Anna Fleischer: Vielen Dank! Wir haben uns riesig über die Auszeichnung gefreut. In Phase 1 ging es um die Geschäftsidee und den Kundennutzen. In Phase 2 standen Marketing und Vertrieb im Mittelpunkt und in der dritten Phase lag der Fokus auf der Umsetzungsstrategie und Finanzierung. Dass wir in allen drei Phasen überzeugen konnten, freut uns sehr und zeigt, dass unser Konzept als tragfähig anerkannt wurde. 

Was haben euch die einzelnen Phasen gebracht? 

Johannes Braig: Neben dem Preisgeld war vor allem die Sichtbarkeit für uns enorm wertvoll. So haben sich bereits potenzielle Investoren, Business Angels und strategische Partner gemeldet, die uns gern mit ihrer Expertise und privatem Kapital unterstützen möchten. 

Anna: Auch unabhängig vom Wettbewerbserfolg haben wir viel gelernt. Die strukturierte Begleitung durch jede Phase hat uns geholfen, unser Geschäftsmodell strategisch weiterzuentwickeln. Besonders hilfreich war das schriftliche Feedback der Jury, die aus erfahrenen Unternehmern, Investoren und Branchenexpert:innen bestand. Das hat uns immer wieder neue Perspektiven eröffnet – und das Projekt entscheidend vorangebracht. 

Anna, du hattest die Idee zu ENDOLEASE. Wie kam es dazu? 

Anna: Die Theorie zu ENDOLEASE entstand tatsächlich aus einem konkreten klinischen Erlebnis – aber praktisch zum Leben erweckt wurde sie durch die engagierte Zusammenarbeit mit vielen großartigen Mitstreitern. Während einer Kontrastmitteluntersuchung habe ich damals gespürt, wie präzise sich Substanzen über eine bestimmte Arterie in das Kapillargebiet eines Zielorgans leiten lassen. Da kam mir der Gedanke: Was wäre, wenn wir diese Route gezielt nutzen könnten, um Medikamente lokal – und über einen genau definierten Zeitraum – in erkranktes Gewebe einzubringen? Statt den ganzen Körper systemisch mit hohen Wirkstoffdosen zu belasten, könnten wir die Substanzen gezielt dort freisetzen, wo sie wirklich gebraucht werden. Mit minimaler Dosis, aber maximaler lokaler Wirkung

Ihr nutzt die Kapillaren, um die therapeutische Wirksamkeit im Zielgewebe zu steigern und gleichzeitig systemische Nebenwirkungen drastisch zu reduzieren. Wie funktioniert das? 

Anna: Millionen Jahre Evolution haben die Kapillaren zu hochspezialisierten Strukturen für den Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe geformt. ENDOLEASE nutzt genau diesen physiologischen Mechanismus: Die Wirkstoffe erreichen punktgenau das Zielgewebe, werden dort in hoher Konzentration aufgenommen und entfalten ihre Wirkung – ohne systemisch relevante Konzentrationen zu verursachen. Im venösen Rückstrom werden die verbleibenden Wirkstoffreste stark verdünnt – ein natürlicher Effekt, der die systemische Belastung minimiert.

Kannst du ein Beispiel für die Anwendung nennen? 

Bei einer Chemotherapie zum Beispiel könnte der Wirkstoff gezielt und hochkonzentriert auf einen soliden Tumor wirken, ohne sich im gesamten Blutvolumen zu verteilen – und so möglicherweise typische Nebenwirkungen wie Übelkeit, Herz- oder Leberschäden oder Neuropathien deutlich verringern. 

Aber auch andere medizinische Fachbereiche können von ENDOLEASE profitieren. 

Anna: Genau. Nachdem ich das Konzept systematisch weiterentwickelt und erste Funktionsmodelle skizziert hatte, sprach ich Key Opinion Leader aus rund einem Dutzend Fachabteilungen an, die in Letters of Intent ihre Unterstützung bei der Translation der ENDOLEASE-Plattformtechnologie zusicherten. Wir sind äußerst dankbar, so viele engagierte und erfahrene Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus ganz unterschiedlichen Disziplinen an unserer Seite zu wissen. Diese interdisziplinäre Rückendeckung ist für uns von unschätzbarem Wert. 

Wie und wann kam die Biofabrikation ins Spiel? 

Anna: Im Rahmen der Patentanmeldung wurde mir schnell klar, dass ich für die technische Umsetzung starke Partner brauche. Ich hatte zwar eine klare Vision von den funktionellen Eigenschaften, die das System erfüllen sollte – von der gezielten Wirkstofffreisetzungskinetik bis hin zur sicheren, atraumatischen Integration in das Gefäßsystem – doch für die konkrete Entwicklung eines bioresorbierbaren Implantats fehlten mir die ingenieurwissenschaftlichen Ressourcen. Es ist ein großes Glück, direkt vor der Haustür in Würzburg einen Lehrstuhl zu haben, der auf diesem Gebiet führend ist und auf ein so engagiertes und innovatives Team zu treffen.

Johannes: Anna stellte das Projekt meinem Doktorvater, Professor Tomasz Jüngst, vor. Mit jedem Satz aus ihrem Mund wurde sein Grinsen breiter. Denn Grundlagen für das, was Anna sich vorstellte, erarbeiteten wir an unserem Lehrstuhl bereits seit vielen Jahren. Wir erforschen, wie sich mithilfe modernster 3D-Drucktechnologie künstliche Blutgefäße herstellen lassen. Dabei nutzen wir ein Verfahren namens Melt Electrowriting, mit dem wir aus extrem feinen Kunststofffasern sogenannte Scaffolds drucken, die wie kleine Röhren aussehen. Diese Gerüste befüllen wir anschließend mit Hydrogelen, die wir mit menschlichen Zellen kultivieren. Innerhalb weniger Tage besiedeln die Zellen das künstliche Gefäßgerüst und bilden eine funktionale Schicht, die der Struktur von echten Blutgefäßen ähnelt. 

Statt der menschlichen Zellen bringt ihr bei ENDOLEASE nun Wirkstoffe ein? 

Johannes: Richtig. Statt Zellkulturen bringen wir bei ENDOLEASE Medikamente in die Hydrogelstruktur ein – abgestimmt auf die jeweilige Indikation. Tomasz ließ den Postdoc Dr. Michael Bartolf-Kopp, den Doktoranden Franz Moser und mich auf das Projekt los und bat uns, einen Prototypen zu entwickeln, aus dem Wirkstoffe eingebracht und freigesetzt werden können.

Und wie ging es mit dem Businessplan weiter?

Anna: 2023 nahmen wir dann gemeinsam – Klinik und Biofabrikation – an einem sechswöchigen internationalen Bootcamp in Schweden teil, organisiert von BioM und dem schwedischen Biotech-Inkubator SmiLe. Dieses Programm ermöglichte uns, unsere Innovation aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren, regulatorische Hürden zu verstehen und eine schlüssige Marktstrategie zu formulieren. Online und in München wurde das Programm weitergeführt. Wir haben in dieser Zeit nicht nur viel gelernt, sondern auch als Team enorm an Zusammenhalt gewonnen. Wobei die Zusammenarbeit schon vom ersten Tag an außergewöhnlich konstruktiv, inspirierend und von großem gegenseitigen Respekt geprägt war. 

Wer gehört eigentlich mit welchen Aufgaben zum Kernteam von ENDOLEASE?

Anna: Die Projektleitung mit Fokus auf die klinische Translation liegt bei mir. Ich habe Medizin in Würzburg studiert und mich zusätzlich in den Bereichen Gesundheitsökonomie und Translation qualifiziert – mit einem Master of Health Business Administration und einem Master in Translational Medicine. Aktuell bin ich im Rahmen eines Clinician-Scientist-Programms in der Weiterbildung zur Fachärztin für Neurologie und Psychosomatik.

Johannes: Das Team hier am FMZ ist unter der Arbeitsgruppenleitung von Tomasz Jüngst für die technische Entwicklung zuständig. Michael Bartolf-Kopp ist als PostDoc über den Medical-Valley-Award angestellt. Zum Team gehören noch der zahnmedizinische Doktorand Florian Mattern und die beiden pharmazeutischen Doktoranden Lina Tschauder und Maurice Simon. Ich selbst komme ursprünglich aus den Ingenieurwissenschaften, stehe kurz vor dem Abschluss meiner naturwissenschaftlichen Promotion und studiere aktuell im zehnten Semester Humanmedizin. Meine Rolle ist die Brücke zwischen Technik und Klinik. Mich hat diese klinische Translation schon immer fasziniert, wie neue Technologien in die Klinik kommen. 

Anna: Wir schätzen uns zudem sehr glücklich, mit Dr. Heinz Schwer einen so erfahrenen und engagierten Partner an unserer Seite zu haben, der uns mit über 20 Jahren Berufserfahrung in finanziellen und strategischen Fragestellungen mit herausragendem Engagement und Expertise begleitet. Unterstützt wird er von seinem Sohn Valentin Schwer, der frische Perspektiven und großes Engagement ins Projekt einbringt. Und mit Dr. Eric Wittchow haben wir einen Experten an Bord, der tiefes Know-how in der lokalen Arzneimittelabgabe und bioresorbierbaren Stents, sowie Regulatorik mitbringt – gerade für die präklinische Entwicklung ein großer Gewinn.

Wo habt ihr mit eurem starken Team neben dem Businessplan Wettbewerb Nordbayern bislang erfolgreich teilgenommen? 

Anna: Unser erster kleiner Erfolg war der Posterpreis des Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung (IZKF). Bereits in einer frühen Projektphase erhielten wir eine Förderung durch die Vogel-Stiftung Dr. Eckernkamp. Hier hat uns Dr. Gunther Schunk bereits in einer sehr frühen Projektphase nicht nur Mut gemacht, sondern auch ganz konkret geholfen, unser Projekt strukturiert und nachhaltig aufzubauen – dafür sind wir sehr dankbar. Zudem wurden wir mit dem Bätz-Preis des Universitätsbundes e.V. ausgezeichnet. Ein wichtiger Meilenstein war der Gewinn des Medical Valley Awards – mit einer Förderung in Höhe von 500.000 Euro durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Darüber hinaus konnten wir beim Pitch Contest des Medical Valley e.V. wertvolle regulatorische Beratungsleistungen gewinnen. Eine besondere Auszeichnung war auch die Aufnahme in die innovate! Akademie sowie die damit verbundene Förderung durch die Joachim Herz Stiftung in Höhe von 250.000 Euro, mit der unter anderem die Stelle von Johannes finanziert wird. Beim Hochsprung-Award 2025 sicherten wir uns den zweiten Platz. Zuletzt wurden wir beim Würzburger StartUP-Preis der Initiative Gründen@Würzburg im Mainfranken Theater in der Kategorie „Global Hero“ sowohl durch das Jury-Votum als auch im Publikumsvoting mit dem ersten Platz ausgezeichnet. Ein herzlicher Dank gilt auch der Else Kröner-Fresenius-Stiftung, deren Forschungsfreistellung mir die nötige Flexibilität für die wissenschaftliche Weiterentwicklung des Projekts ermöglicht.

Johannes: Das Schöne ist, dass wir Auszeichnungen aus ganz unterschiedlichen Richtungen erhalten haben. Sowohl Vertreter und Vertreterinnen der Wissenschaft als auch der Wirtschaft signalisieren uns: Das, was wir vorhaben, ist sinnvoll und zukunftsweisend. 

Bei den Wettbewerben ist Sommerpause. Dafür läuft die Arbeit im Labor auf Hochtouren. Welchen Herausforderungen müsst ihr euch hier derzeit stellen?

Johannes: Nachdem wir einen so genannten Proof im Concept zeigen konnten befinden wir uns derzeit im Technologie Reifegrad Level (TLR) 3. Jetzt erfolgt die Optimierung und die erweiterte technische Umsetzung für die klinische Translation. Wir arbeiten derzeit daran, das ENDOLEASE-System so weiterzuentwickeln, dass es minimalinvasiv über die Leiste eingebracht werden kann – also auf einen Katheter aufgebracht und im Zielgefäß entfaltet wird. Dafür müssen wir es „crimpen“, also auf ein sehr kleines Maß komprimieren. Ist es an der gewünschten Stelle angekommen, wird ein kleiner Ballon aufgeblasen, der das Implantat aufdehnt und es sanft an die Gefäßwand presst.

Das Einsetzen verläuft also wie bei einem Stent? 

Johannes: Die Implantation ist vergleichbar, ja. Doch der Unterschied liegt in der Funktion: Ein klassischer Stent hält das Gefäß offen und gewährleistet einen freien Blutfluss. Inzwischen gibt es auch Drug-Eluting-Stents (DES), also mit Wirkstoffen beschichtete Stents. Die Wirkstoffe werden jedoch ausschließlich nach außen in die Gefäßwand abgegeben, um eine erneute Verengung der Gefäße zu verhindern. 

Unser ENDOLEASE-System verfolgt einen anderen Ansatz: Es gibt die Wirkstoffe nicht in die Gefäßwand, sondern in den arteriellen Blutstrom ab, sodass wir damit nicht die Arterienwand, sondern ein bestimmtes Gewebeareal oder ein Organ behandeln können, je nachdem, welches Gewebe oder Organ beschädigt ist.

Dank des Hydrogelträgers können wir dort über definierte Zeiträume im Vergleich zu Drug-Eluting-Stents größere Mengen verschiedenster Wirkstoffklassen freisetzen – auch komplexe Substanzen wie Antikörper.

Welche Wirkstoffe könnten über das ENDOLEASE-System transportiert werden? 

Anna: Tatsächlich erreichen uns aus der wissenschaftlichen Community immer wieder gezielte Anfragen zu potenziellen Anwendungen. Die Frage ist oft: Können wir dieses oder jenes Medikament mithilfe eines ENDOLEASE-Systems lokal in höherer Konzentration freisetzen – bei gleichzeitiger Reduktion systemischer Nebenwirkungen? Auch empfindliche Substanzen wie mRNA, Endonukleasen, siRNA oder Antisense-Oligonukleotide rücken zunehmend in den Fokus. Der Bedarf an präzisen, lokal wirksamen Wirkstoffabgabesystemen ist enorm – und wir würden uns sehr freuen, wenn wir mit ENDOLEASE einen Beitrag zur Lösung dieser Herausforderungen leisten könnten.

Eigentlich bräuchtet ihr ein riesengroßes Team, um alle Indikationen abzudecken. Ihr fokussiert euch zunächst jedoch auf die Behandlung von Herzinfarkten und die Vorbeugung von Herzinsuffizienz. Wie sieht hier der weitere Zeitplan aus?

Anna: Unser Ziel ist es, das ENDOLEASE-System bis Ende des Jahres erfolgreich im Kaninchenmodell zu testen. Danach wollen wir einen Ethikantrag für eine Großtierstudie einreichen. Ein Proof-of-Concept im Schweinemodell ist aus wissenschaftlicher Sicht ein wichtiger nächster Schritt, bevor wir in eine größere präklinische Kohorte gehen.

Johannes: Das Besondere an unserem Standort ist, dass es am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) bereits etablierte Tiermodelle für Herzinfarkte gibt. Wir freuen uns, dass uns unser Kooperationspartner, Professor Ulrich Hofmann von der Medizinischen Klinik und Poliklinik I, die Möglichkeit eröffnet, dort die ENDOLEASE-Technologie unter realistischen Bedingungen zu erproben. 

Johannes, du bist gerade dabei, deine naturwissenschaftliche Doktorarbeit über ein Herzpflaster abzuschließen. Kommt diese Expertise auch Endolease zugute? 

Johannes: Ja, ich kann bei ENDOLEASE sehr gut auf meiner bisherigen Arbeit aufbauen. Wir verwenden nämlich das gleiche 3D-Druckverfahren, das sogenannte Melt Electrowriting, und Hydrogele. Im Rahmen meiner Doktorarbeit haben wir auch schon am Herzinfarktmodell gearbeitet.

Wie unterscheidet sich dein Herzpflaster von dem, was das Team um Prof. Wolfram-Hubertus Zimmermann in Göttingen erstmals am Menschen getestet hat? 

Johannes: Die mechanische Architektur unseres Herzpflasters ist besonders. Es verfügt über bestimmte elastische Zonen, mit deren Hilfe es über die Herzoberfläche gestreckt werden kann, sowie über Kraftübertragungszonen. Über diese können die kontrahierenden Zellen des Pflasters ihre Kraft direkt auf den Herzmuskel übertragen um die Herzunterstützung weiter zu verbessern. 

Ihr seid auf Tierversuche angewiesen, bevor das System am Menschen getestet wird. Gleichzeitig arbeitet ihr nach dem 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine). Gibt es hier konkrete Pläne, wie ihr Tierversuche vermeiden, vermindern und verbessern könnt?

Anna: Es ist uns ein großes Anliegen, Tierversuche zu reduzieren – sowohl aus ethischer als auch aus wissenschaftlich-strategischer Perspektive. Wir planen aktuell die Entwicklung eines digitalen Zwillings, der präklinische Daten integriert und Simulationen ermöglicht. Das heißt, der Computer lernt aus den Daten und kann genau voraussagen, wie das System reagiert, wenn wir eine bestimmte Variable ändern.

Dieses System soll nicht nur Tierversuche reduzieren, sondern langfristig auch als Entscheidungsunterstützung für Implantatdesign, Platzierung, Dosisanpassung und Wirkstoffwahl dienen.

Wer stand bzw. steht euch noch aus Würzburg zur Seite?

Anna: Dr. Gerhard Frank vom Innovations- und Gründerzentrum Würzburg (IGZ) hat von Anfang an uns geglaubt und uns mit großer Expertise, Weitblick und echtem persönlichen Einsatz begleitet. Besonders wertvoll war auch seine Unterstützung bei der Vernetzung mit Schlüsselpersonen, darunter der wunderbare Aktivsenior Wolfgang Beyer, der uns mit seiner langjährigen unternehmerischen Erfahrung zur richtigen Zeit zahlreiche kluge und praxisnahe Impulse gegeben hat. Auch das Servicezentrum Forschung und Technologietransfer (SFT) der Universität Würzburg unter der Leitung von Dr. Iris Zwirner-Baier, begleitet uns hervorragend bei unseren Patentanmeldungen und strategischen Fragen des Technologietransfers.

Absolut bereichernd war zudem die Unterstützung durch Prof. Dr. Wolfram Voelker und Sabine Franzek vom Interdisziplinären Trainings- und Simulationszentrum (INTUS), die uns wichtige Ressourcen zur Verfügung gestellt und bei einem wichtigen Besuch die Implantation des ENDOLEASE-Systems in einer realitätsnahen Simulation demonstriert haben.

Einen zentralen Baustein zur präklinischen Sicherheitsbewertung unseres Implantats liefert auch Dr. Maria Drayß, Clinician Scientist mit kardiologischer Expertise. Sie führt am Rudolf-Virchow-Zentrum (RVZ) unter der Leitung von Prof. Dr. Harald Schulze gezielt Thrombogenitätstestungen der ENDOLEASE-Systeme durch. Nicht zuletzt möchten wir Prof. Laura Schreiber, Rebekka Grapp und dem gesamten Team der Versuchstierhaltung danken sowie Dr. Niklas Beyersdorf vom Institut für Virologie und Immunbiologie, dessen Einsatz für den reibungslosen Ablauf unserer präklinischen Studien von unschätzbarem Wert war. Auch Prof. Dr. Lorenz Meinel vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie gilt unser Dank, der uns als Mentor mit seiner pharmakologischen Expertise durch entscheidende Projektphasen getragen hat. 

Natürlich wäre das Projekt ohne die Unterstützung vieler weiterer Personen nicht denkbar. Und dafür sind wir sehr dankbar. 

Das Interview führte Kirstin Linkamp (Wissenschaftskommunikation am UKW)

Ein 3D-gedruckter Zahn, der alles kann

Die Zahnärztliche Prothetik am Uniklinikum Würzburg druckt Zähne, die den Studierenden eine neue, realistische, faire und kosteneffiziente Übungsmöglichkeit bieten. Die innovativen Übungszähne vereinen alle wichtigen Behandlungsschritte – von der Kariesentfernung über die Wurzelkanalbehandlung bis hin zur Kronenpräparation. Aktuelle wissenschaftliche Studien belegen den hohen Lerneffekt, die Akzeptanz bei Studierenden und den didaktischen Nutzen des universellen Übungszahns.

Vier Ärzte und eine Assistenzärztin der Zahnärztlichen Prothetik stehen in weißer Kluft vor der Glasfassade der Zahnklinik
Das Team der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik am Uniklinikum Würzburg druckt innovative Übungszähne für die Lehre, v.l.n.r.: Prof. Dr. Marc Schmitter, Johannes Schrenker, Dr. Michael del Hougne, PD Dr. Christian Höhne und Assistenzärztin Isabella Di Lorenzo. © Belinda Sauer / UKW
insgesamt 3 Bilder, davon eine Übersicht eines Zahnes, ein Querschnitt und Pulpa mit Wurzelkanäle
Rekonstruktion eines echten Zahnes basierend auf einer Mikro-CT-Aufnahme; v.l.n.r. Übersicht des ganzen Zahnes, Querschnitt des Zahnes; Wurzelkanäle und Pulpa. © Christian Höhne / UKW
2 Ansichten eines 3D-gedruckten Zahnes und eines Querschnitts
Konstruktion eines Übungszahnes basierend auf der Rekonstruktion eines echten Zahnes; v.l.n.r. Übersicht des ganzen Zahnes bestehend aus Schmelz und Dentin, Querschnitt des Zahnes, kompletter im 3D-Druckverfahren hergestellter Zahn. © Christian Höhne / UKW
Zwei Röntgenaufnahmen des 3D-gedruckten Zahns
Der gedruckte Zahn besitzt ein realistisches Röntgenverhalten. Links Aussehen des Zahnes bei einem Zahnfilm mit allen erkennbaren Innenstrukturen und rechts bei einer dreidimensionalen Röntgenaufnahme in Form eines so genannten DVT´s. © Christian Höhne / UKW

Würzburg. Wer in Würzburg Zahnmedizin studiert, benötigt im Schnitt 300 Übungszähne, um die verschiedenen Techniken und Behandlungen zu üben und später Patientinnen und Patienten sicher, effizient und erfolgreich behandeln zu können. Diese künstlichen Übungszähne müssen die Studierenden selbst erwerben und darüber hinaus Echtzähne in Zahnarztpraxen und bei Chirurgen sammeln. Dies bringt jedoch zahlreiche ethische, hygienische und rechtliche Herausforderungen mit sich. So ist beispielsweise eine Zustimmung zur Weiterverwendung durch eine aufwendige Dokumentation erforderlich, und es besteht ein geringes Infektionsrisiko durch diese Echtzähne. Zudem sind diese Zähne in der Regel stark vorbehandelt oder beschädigt, sodass sie sich nicht immer für Übungszwecke eignen und vor allem keine einheitlichen Lernbedingungen bieten. Kommerziell hergestelltes Übungsmaterial ist ebenfalls keine ideale Alternative, da es oft nicht den realen Bedingungen entspricht.

3D-gedruckter kariöser Zahn basierend auf dreidimensionaler Röntgenaufnahme

Deshalb stellt die Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ihre Übungszähne seit 2020 selbst her. „Dadurch können wir nicht nur Kosten sparen, sondern auch möglichst viele Lerninhalte in einen realitätsnahen Zahn zusammenfassen und den Studierenden ein intensiveres Training ermöglichen“, sagt Privatdozent Dr. Christian Höhne. Der Oberarzt ist unter der Leitung von Prof. Dr. Marc Schmitter, dem ärztlichen Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, für die vorklinische Lehre der Abteilung zuständig. Neben seinem Zahnmedizinstudium und seiner Habilitation zum 3D-Druck in der Zahnmedizin hat Höhne Wissen im Bereich des Maschinenbaus erworben, hierbei vor allem in der Konstruktion und Herstellung von Prototypen sowie Nanostrukturtechnik. Bereits im Jahr 2019 hatte er basierend auf einer dreidimensionalen Röntgenaufnahme eines kariösen Zahnes einen ersten 3D-gedruckten Zahn hergestellt. Um den harten Zahnschmelz, das darunterliegende Dentin, die kariöse Substanz und den empfindlichen Zahnnerv (Pulpa) realistisch darzustellen, verwendete er unterschiedliche Materialien mit verschiedener Härte. So erhielten die Studierenden beim Bohren durch die entsprechenden Schichten eine taktile Rückmeldung, ähnlich wie bei einem natürlichen Zahn. Sie konnten somit praxisnah üben, wann sie stoppen oder vorsichtiger arbeiten müssen. Die im Journal of Dental Education publizierte Studie zeigte, dass 3D-gedruckte Zähne eine vielversprechende Alternative zu klassischen Modellzähnen darstellen.

Sechs Jahre und einige Publikationen später präsentiert das Team der Zahnärztlichen Prothetik einen 3D-gedruckten Zahn, der sich für sämtliche wichtigen zahnmedizinischen Eingriffe eignet – von der Karies-Entfernung und Füllung über die Wurzelkanalbehandlung, Kronenpräparation und Stiftbohrung bis hin zur Röntgenuntersuchung –, bis der Zahn in der Realität extrahiert werden müsste. Für seine herausragenden Lehrmethoden wurde das Team im Dezember 2023 mit dem Albert-Kölliker-Lehrpreis der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg ausgezeichnet.

Additiv gefertigter Übungszahn für Wurzelkanalbehandlungen

Die Auswertungen der verschiedenen Behandlungsschritte wurden unter einigen der mehr als zwölf Doktorandinnen und Doktoranden, die an diesem Lehrprojekt beteiligt sind aufgeteilt, die Christian Höhne zusammen mit Marc Schmitter derzeit betreut.

Im Rahmen ihrer Promotionsarbeit beschäftigte sich Assistenzärztin Isabella Di Lorenzo zum Beispiel mit der Wurzelkanalbehandlung dieses universellen Zahnes in Zusammenarbeit mit der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie unter der Leitung von Prof. Dr. Gabriel Krastl. Nach dem Druck kümmerte sie sich um die weitere Verarbeitung, wie das Waschen der Zähne, und erprobte den Zahn in einem präklinischen Kurs mit 38 Zahnmedizinstudierenden. Die Ergebnisse veröffentlichte Isabella Di Lorenzo gerade als Erstautorin in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Scientific Reports des Nature Research-Verlags.

„Die Studierenden bewerteten den 3D-gedruckten Zahn als eine signifikant bessere Übungsmöglichkeit als die üblichen transparenten Acrylblöcke, die oft zum Üben für Wurzelkanalbehandlungen zum Einsatz kommen, und fast ebenbürtig zu natürlichen Zähnen, insbesondere hinsichtlich Realismus, Handhabung und Lernwert“, resümiert Isabella Di Lorenzo. „Der gedruckte Zahn ist nicht nur realistisch und kosteneffizient, sondern auch fair. Mit dem neuen Übungszahn haben wir für alle Studierenden identische Prüfungs- und Lernbedingungen geschaffen.“

Auch Oberarzt Dr. Michael del Hougne M.Sc., Kursleiter im Bereich der klinischen Lehre, ist vom neuen Übungszahn begeistert. „Unsere Studierenden können an dem Modell sogar die elektrische Längenmessung des Wurzelkanals sehr realistisch üben. Dafür mussten wir jedoch etwas tricksen, um die benötigte Leitfähigkeit herzustellen, denn der Zahn ist aus Harz, das den Strom nicht leitet.“ Im nächsten Schritt sollen 3D-Zähne mit unterschiedlichen Wurzelkanalformen entwickelt werden, um die klinischen Herausforderungen, die sich aus der anatomischen Vielfalt ergeben, zu simulieren.

Einfache Anwendung und hoher Lerneffekt bei der Kariesexkavation 

Auch die Kariesentfernung und die Behandlung des Zahnnervs wurden am neuen Übungszahn optimiert. Die ehemalige Doktorandin Dr. Lisanne Carnier veröffentlichte bereits im Oktober 2024 eine äußerst positive Bewertung des gedruckten Zahnes im Journal BMC Medical Education vom Springer Nature Verlag. Die Studierenden bewerteten den 3D-Zahn deutlich besser als die bisherigen Modelle und wünschten sich mehr Übungen mit den neuen Modellen. Die Anwendung war einfacher und der Lerneffekt höher.

3D-Zahn für das Präparieren von Klebebrücken

Im September 2024, einen Monat zuvor, publizierte die Forschungsgruppe um Michael del Hougne in Scientific Reports die erfolgreichen Testläufe eines 3D-gedruckten Zahns. An diesem durften 42 Studierende das Präparieren für eine Klebebrücke, auch adhäsive Brücke genannt, üben. Dieser Zahn wurde im Rahmen einer Doktorarbeit von Dr. Greta Behr entwickelt. Er verfügt über zwei farbige Schichten, die exakt anzeigen, wie viel und wo Material abgetragen werden muss. Auch hier bewerteten die Studierenden den Übungszahn im Durchschnitt mit der Note „sehr gut”. Sie konnten sich das Übungsziel besser vorstellen und ihre Arbeit selbst kontrollieren.

In der zahnärztlichen Prothetik müssen alle Disziplinen beherrscht werden, um dem Zahn die Krone aufzusetzen

„Diese Innovation, die additive Fertigung eines Übungszahns, der mehr oder weniger alles kann und die Lehre optimiert, kommt in der zahnärztlichen Prothetik genau zur richtigen Zeit“, meint Marc Schmitter. Durch die neue Approbationsordnung für Zahnärztinnen und Zahnärzte habe die Prothetik in der Lehre nämlich nur noch ein Drittel der Zeit, die sie zuvor hatte. Dabei seien in der zahnärztlichen Prothetik sehr viel Wissen und handwerkliche Fertigkeiten erforderlich. „Abgesehen von der Kieferorthopädie müssen wir alle Disziplinen beherrschen, um dem Zahn schließlich die Krone aufzusetzen. Manchmal müssen wir den Zahn sogar chirurgisch verlängern. Hinzu kommt der Wissenszuwachs hinsichtlich der Materialien. Wir müssen also in kürzester Zeit immer mehr Wissen und Fertigkeiten vermitteln“, erklärt Marc Schmitter. Dank des 3D-Drucks ist dies möglich. Die geringen Kosten und die einfache Reproduzierbarkeit ermöglichen ein häufigeres und intensiveres Training. 

App mit Augmented Reality (AR) erlaubt bessere und einfachere Korrektur im Aufwachskurs

Eine weitere Innovation in der zahnmedizinischen Lehre ist eine Augmented-Reality-App für den sogenannten Aufwachskurs. Die App unterstützt Studierende dabei, das Formen von Zähnen mit Wachs sowie den Umgang mit Wachswerkzeugen zu üben. Mithilfe der App können Studierende und Lehrende die Wachsvorlage über die Kamera des Smartphones oder Tablets betrachten und ein ideales Wax-up als Überlagerung auf die Aufwachsplatte einblenden. So können sich die Studierenden selbst besser beurteilen und schneller lernen. Die mehrfach ausgezeichnete Machbarkeitsstudie vom Erstautor Johannes Schrenker ist derzeit als Preprint auf der Plattform Research Square zu lesen und wird zeitnah bei Scientific Reports erscheinen.

Auswertung von 3D-gedruckten provisorischen Zahnkronen

Auch die Patientinnen und Patienten profitieren von den Innovationen in der zahnmedizinischen Lehre. Einerseits führen besser ausgebildete Zahnärztinnen und Zahnärzte zu besseren Behandlungen. Andererseits wird den Patientinnen und Patienten am UKW bereits 3D-gedruckter Zahnersatz angeboten. Mit Erfolg. Im Rahmen seiner Masterarbeit hat Michael del Hougne in einer Kohortenstudie mit 63 Patientinnen und Patienten die Langlebigkeit von insgesamt 98 3D-gedruckten provisorischen Zahnkronen untersucht. Dabei handelt es sich um Kronen, die vorübergehend eingesetzt werden, bis die endgültige Versorgung erfolgt. Die in Scientific Reports veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass 98 Prozent der Kronen den Untersuchungszeitraum von durchschnittlich 256 Tagen ohne größere Probleme überstanden. Die Patientinnen und Patienten waren mit dem Aussehen sehr zufrieden. Auch ihre Lebensqualität verbesserte sich im Zusammenhang mit der Mundgesundheit deutlich.

Behandlung, Forschung und Lehre im Dreiklang

„Generell ist jeder herzlich willkommen, sich bei uns behandeln zu lassen und Teil unserer Innovationen zu sein”, sagt Marc Schmitter. Bei dem Klinikdirektor stehen Behandlung, Forschung und Lehre im Dreiklang. Erst dieser Dreiklang, verbunden mit einem motivierten und hervorragend kooperierenden Team sowie interdisziplinärer Zusammenarbeit macht die Zahnklinik des UKW zu einem Ort zahnmedizinischer Innovation und Exzellenz.

Damit das so bleibt, erforscht das Team von Marc Schmitter weitere Anwendungsmöglichkeiten des Zahnes. Auch das Material soll weiter optimiert werden. „Wir wollen neue Harze entwickeln, deren Eigenschaften natürlichem Dentin und Schmelz noch ähnlicher sind, um das taktile Feedback zu verbessern“, so Christian Höhne. Ein weiteres Ziel ist die Automatisierung der Produktion. Schließlich sollen das Ausbildungskonzept und die Lernkurve validiert sowie die Übertragbarkeit der Modelle in andere Länder und Kulturen geprüft werden.

Information zur Behandlung: In der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik im Zentrum für Zahngesundheit am UKW sind alle Patientinnen und Patienten mit zahnärztlichem Behandlungsbedarf herzlich willkommen. Die Behandlung kann wahlweise durch die Mitarbeitenden der Abteilung oder durch Studierende in höheren Semestern unter deren Aufsicht erfolgen. Bei einer Behandlung durch Studierende können Ermäßigungen der Behandlungskosten gewährt werden.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Zahnärztlichen Prothetik
 

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

UKW besetzt Deutschlands erste Professur für Muskuloskelettale Radiologie

Jan-Peter Grunz übernimmt die neue W2-Professur für Klinische Radiologie mit dem Schwerpunkt Muskuloskelettale Bildgebung an dem von Thorsten Bley geleiteten Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Uniklinikums Würzburg

Porträtbild von Jan-Peter Grunz im Kittel
Prof. Dr. Jan-Peter Grunz übernimmt die neue Professur für Muskuloskelettale Bildgebung an dem von Prof. Dr. Thorsten Bley geleiteten Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Uniklinikums Würzburg. © Dr. Henner Huflage / UKW

Würzburg. Prof. Dr. Jan-Peter Grunz ist Würzburger durch und durch. Er wurde in Würzburg geboren, machte sein Abitur am Röntgen-Gymnasium und studierte, promovierte und habilitierte an der Julius-Maximilians-Universität. Sieben Jahre lang stand er zudem bei der ersten Garde des Würzburger Fußballvereins 04 im Tor, bevor er vor zehn Jahren seine Torwarthandschuhe für die Karriere am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) an den Nagel hängte. Dieser Weg wurde nun belohnt. Seit Juli 2025 ist der 35-jährige Radiologe der erste und bislang einzige W2-Professor für Muskuloskelettale Bildgebung in Deutschland.

Mehr Sichtbarkeit für die muskuloskelettale Bildgebung

Zur muskuloskelettalen („MSK-“) Radiologie zählen alle bildgebenden Untersuchungen, die zur Darstellung von Muskeln, Knochen, Gelenken, Sehnen, Bändern und angrenzenden Weichteilen dienen. Sie kommt unter anderem bei Sportverletzungen wie Bänder- und Muskelfaserrissen oder Knochenbrüchen zum Einsatz, hat jedoch auch eine entscheidende Bedeutung bei degenerativen und entzündlichen Erkrankungen sowie bei Tumoren des Bewegungsapparats. Damit ist die MSK-Radiologie eines der größten und vielfältigsten Anwendungsgebiete der bildgebenden Diagnostik. Nun bekommt sie, was sie schon lange verdient: mehr Sichtbarkeit.

„Mit der Einrichtung einer W2-Professur für MSK-Bildgebung setzt die Universitätsmedizin Würzburg ein wichtiges Signal – wissenschaftlich, akademisch, klinisch und strategisch“, erläutert Prof. Dr. Thorsten Bley, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie. Die Professur ist in sein Institut integriert. Bley ergänzt: „Ich freue mich sehr, dass Jan-Peter Grunz den Ruf angenommen hat. Mit ihm hat Würzburg das Potenzial, sich als führendes MSK-Zentrum in Deutschland und Europa zu etablieren.“

Grunz leitet am UKW bereits seit 2020 erfolgreich die wissenschaftliche Arbeitsgruppe für MSK-Bildgebung. Außerdem ist er Schirmherr des Würzburger MSK-Symposiums, das in diesem Jahr zum vierten Mal stattgefunden hat und Radiologinnen und Radiologen aus ganz Europa anzieht.

Kegelstrahl-CT: strahlungsarme Darstellung von Knochen

Im Rahmen seiner Habilitation widmete sich Jan-Peter Grunz der Anwendung der Kegelstrahl-Computertomografie (CT) am Extremitätenskelett. Bei diesem bildgebenden Verfahren wird das zu untersuchende Körperteil mit einem kegelförmigen Röntgenstrahl durchleuchtet, der dann von einem flachen digitalen Sensor aufgefangen wird. Aus den entstehenden Einzelaufnahmen wird ein dreidimensionales Bild berechnet. „Bei uns kommt die Kegelstrahl-CT mittlerweile bei fast jeder distalen Unterarmfraktur zum Einsatz“, sagt Grunz. Die Brüche nahe des Handgelenks gehören zu den häufigsten Frakturformen überhaupt. Auch am Ellenbogen oder am Fuß liefert die Kegelstrahl-CT scharfe Bilder der Knochen bei geringer Strahlenexposition. Zwei Scanner dieses Typs sind derzeit am UKW im Einsatz. „Durch zahlreiche Studien konnten wir die Geräte optimal auf die Bedürfnisse der Patientenversorgung abstimmen“, freut sich Grunz über die gelungene klinische Translation.

Photonenzählende CT: Revolution und Zukunft der muskuloskelettalen Bildgebung

Ein weiteres Forschungsgebiet des Radiologen ist die photonenzählende CT - die laut Grunz „größte Entwicklung der medizinischen Bildgebung in den vergangenen zehn Jahren“. Während die Kegelstrahl-CT nur selektiv an den Extremitäten zum Einsatz kommt, ermöglicht die photonenzählende CT einen ultrahochaufgelösten Ganzkörperscan in wenigen Sekunden. Und das mit einer noch nie dagewesenen Dosiseffizienz. Herkömmliche Computertomographen bündeln Röntgenquanten in einem Lichtstrahl, während der Detektor des neuen CT direkt jedes Photon zählt, das durch den Körper geschickt wird. Das UKW verfügt bereits seit Dezember 2021 über einen von der DFG geförderten photonenzählenden CT-Scanner, der zu einem großen Teil für die MSK-Bildgebung eingesetzt wird.

Forschungsaufenthalt an der University of Wisconsin

Als er den Ruf auf die W2-Professur erhielt, forschte Jan-Peter Grunz gerade an der University of Wisconsin-Madison in den USA. „In Madison gibt es eine starke Medizinphysik, sodass ich vor allem grundlagenwissenschaftliche Fähigkeiten mitnehmen konnte.“, schildert er. Fasziniert habe ihn die Forschungskultur in den USA. „Dort herrscht ein ganz natürliches Verständnis für Wissenschaft: Aus jeder klinisch indizierten Untersuchung wird ein Informationsgewinn gezogen, um die Bildgebung in einem iterativen Kreislauf zu verbessern“, so Grunz. Auch die Feedback-Mechanismen haben ihn beeindruckt. „Forschungsprojekte werden permanent besprochen, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden abgeholt und systematisch an die Hand genommen.“

Professur ermöglicht strukturierte Forschung und qualifizierte Nachwuchsförderung in der muskuloskelettalen Bildgebung

Seine positiven Erfahrungen aus Wisconsin will Grunz auch in die neue Professur am UKW einfließen lassen. „Ich möchte die Schnittstelle zur experimentellen Radiologie verbessern und das vorhandene Know-how noch stärker in die Klinik einbinden“, sagt Grunz und nennt die Sequenzentwicklung für die MRT-Bildgebung als Beispiel. Dabei stellt sich die Frage: Wie kann man in kurzer Zeit Bilder mit höchster Qualität erstellen? Auch die Lehre nimmt bei ihm einen hohen Stellenwert ein. „Ich möchte unser assistenzärztliches Personal sowie den studentischen Nachwuchs optimal ausbilden und so oft wie möglich im Befundungsraum anwesend sein, um anhand praktischer Beispiele zu vermitteln, was die MSK-Radiologie ausmacht“, sagt Grunz. Kurz vor Antritt seiner Professur hat er die anspruchsvolle Prüfung für das European Diploma in Musculoskeletal Radiology (EDiMSK) in Toulouse bestanden. Außerdem verfügt er über das European Diploma in Radiology (EDiR) und einen Master of Health Business Administration (MHBA).

Nachwuchsförderung, Teamgeist, Faszination und Leidenschaft

Wie wichtig individuelle Förderung und engagierte Vorbilder sind, durfte Jan-Peter Grunz am UKW selbst erfahren. Er habe sehr vom Clinician Scientist-Programm des Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung (IZKF) profitiert. Dieses ermöglichte ihm, sich zugleich klinisch und wissenschaftlich weiterzubilden. Auch das nachfolgende Bridging-Programm des IZKF, das ihn bei der Vorbereitung des ersten externen Drittmittelantrags unterstützt hat, sei ein großer Zugewinn für seine Laufbahn gewesen. Laut Grunz sind strukturierte Förderprogramme für den wissenschaftlichen Nachwuchs extrem wertvoll – ebenso wie ein guter Teamgeist. Die „große menschliche Qualität“ des Teams der Radiologie am UKW hat ihn seit dem ersten Kontakt im Rahmen seines Praktischen Jahres fasziniert. Zudem sei die Radiologie ein extrem vielseitiges, spannendes und kommunikatives, weil interdisziplinäres Fach. „Von jungen Menschen mit Sportverletzungen bis hin zu älteren Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen - jeder Fall ist eine Herausforderung. Es wird nie langweilig“, sagt Grunz.

Die Hand ist das anatomische Steckenpferd des Ex-Torhüters Grunz

Ganz nebenbei hat er gemeinsam mit Prof. Dr. Rainer Schmitt das 656 Seiten starke Buch „Referenz Radiologie – Hand” verfasst, das im Februar 2025 im Thieme-Verlag erschienen ist. Schmitt war über viele Jahre Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie in Bad Neustadt a. d. Saale und gilt als der führende Experte für Handbildgebung im europäischen Raum. Im Februar 2017 kam er als Senior Consultant in die Würzburger Radiologie – zeitgleich mit Grunz – und wurde dessen Mentor. Die Faszination für die Hand ist dem ehemaligen Torhüter geblieben. „Die Hand ist eine der komplexesten anatomischen Region des menschlichen Körpers, weil man es hier mit sehr kleinen Strukturen zu tun hat, die untereinander stark vernetzt sind. Um zu verstehen, wie sich Krankheiten oder Verletzungen der Hand bemerkbar machen, muss man tief in die Biomechanik gehen”, beschreibt Grunz den Reiz seines anatomischen Steckenpferds.

Text: KL/Wissenschaftskommunikation
 

Porträtbild von Jan-Peter Grunz im Kittel
Prof. Dr. Jan-Peter Grunz übernimmt die neue Professur für Muskuloskelettale Bildgebung an dem von Prof. Dr. Thorsten Bley geleiteten Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Uniklinikums Würzburg. © Dr. Henner Huflage / UKW

Schnittstelle zwischen Biostatistik und Klinik stärken

Erfolgreiches internationales Symposium zu „Biostatistik für innovative klinische Studien“ am Universitätsklinikum Würzburg

Teilnehmende posieren auf einer Treppe im Zentrum für Innere Medizin
Rund 40 Teilnehmende aus ganz Deutschland nahmen im Uniklinikum Würzburg am Symposium „Biostatistik für innovative klinische Studien“ teil, weitere 90 Teilnehmende folgten dem Symposium online. © Verena Bock / NCT WERA

Würzburg. Die Biostatistik ist ein integraler methodischer Bestandteil bei der Planung, Durchführung und Auswertung klinischer Studien. Sie sorgt dafür, dass verlässliche Schlüsse aus klinischen Studien gezogen und neue Therapien sicher entwickelt werden können. 

Aus diesem Grund luden das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die weiteren Träger des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen NCT WERA (Würzburg, Erlangen, Regensburg, Augsburg) am 1. Juli 2025 zum internationalen wissenschaftlichen Symposium „Biostatistik für innovative klinische Studien“ ins Universitätsklinikum Würzburg (UKW) ein. 

Das NCT ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem DKFZ exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland. Ziel des NCT ist es, die Behandlungsergebnisse und Lebensqualität von Menschen mit Krebs erheblich zu verbessern, indem innovative präklinische Entdeckungen und Entwicklungen effizient in klinische Anwendungen übertragen werden.

Starkes Interesse unterstreicht hohe Relevanz der Biostatistik für innovative klinische Studien

Rund 40 Teilnehmende aus ganz Deutschland nahmen vor Ort am Symposium teil um die spannenden Vorträge renommierter nationaler und internationaler Expertinnen und Experten zu hören. Weitere 90 Teilnehmende folgten dem Symposium online.

„Das starke Interesse unterstreicht die hohe Relevanz neuer methodischer Ansätze insbesondere im Bereich früher klinischer Studien für die onkologische Forschung“, kommentiert Prof. Dr. Peter Heuschmann, Vorstand des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie (IKE-B) an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Heuschmann hatte die wissenschaftliche Planung des Symposiums zusammen mit Prof. Dr. Annette Kopp-Schneider vom DKFZ und Prof. Dr. Thomas Jaki von der Universität Regensburg (UR) vorbereitet.

Einsatz von PROMs und Methoden zur Erhebung der Dosis-Toxizitäts-Beziehung

Im Rahmen des Symposiums wurden neueste methodische Entwicklungen für frühe klinische Studien in der Onkologie diskutiert, darunter innovative Studiendesigns mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Weitere Themen waren der Einsatz von patientenberichteten Endpunkten, sogenannten Patient-Reported Outcome Measures (PROMs), sowie Methoden zur optimalen Erhebung der Dosis-Toxizitäts-Beziehung. Ein zentrales Anliegen der Veranstaltung war die engere Verzahnung von Klinik und Statistik bei der Planung und Auswertung onkologischer Studien.

Besonderes Highlight war ein interaktiver Workshop, der den direkten wissenschaftlichen Austausch zwischen medizinischen und methodischen Fachdisziplinen ermöglichte. Gemeinsam wurden Herausforderungen und Lösungen bei der Durchführung von frühen klinischen Studien diskutiert. 
Die Teilnehmenden waren sich einig: Eine frühzeitige und strukturierte Zusammenarbeit zwischen Fachleuten aus Klinik und Biostatistik ist entscheidend für den Erfolg zukunftsweisender Studienkonzepte. Gleichzeitig wurde deutlich, dass es in der onkologischen Forschungslandschaft nach wie vor einen Bedarf an Unterstützungsstrukturen gibt. 

Professur für Biostatistik am NCT WERA

Ein bedeutender Schritt in diese Richtung ist die geplante Einrichtung einer Professur für Biostatistik am NCT WERA. Diese soll die strategisch wichtige Schnittstelle zwischen Methodik und klinischer Praxis nachhaltig stärken und dazu beitragen, die Entwicklung und Umsetzung innovativer Studienkonzepte weiter voranzutreiben.

„Das Symposium wurde von allen Beteiligten als voller Erfolg gewertet und hat wichtige Impulse für die zukünftige Ausrichtung der klinischen Forschung in Deutschland und darüber hinaus gesetzt“, resümiert Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II am UKW und Sprecher des NCT WERA.

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)
Das NCT ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland: Berlin, Dresden, Heidelberg, SüdWest (Tübingen-Stuttgart/Ulm), WERA (Würzburg mit den Partnern Erlangen, Regensburg und Augsburg) und West (Essen/Köln). Der NCT Ausbau im Jahr 2023 von den ursprünglich zwei Standorten Heidelberg und Dresden auf sechs Standorte wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs angetrieben und durch die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen unterstützt. Ziel des NCT ist, Innovationen in der Krebsforschung in Deutschland zielgerichtet und schnell in Studien zu überführen, um Krebs nach neuestem Stand der Forschung erfolgreich zu diagnostizieren und unter Beibehaltung einer hohen Lebensqualität zu behandeln. Patientinnen und Patienten sind dabei Forschungspartner auf Augenhöhe.
 

Teilnehmende posieren auf einer Treppe im Zentrum für Innere Medizin
Rund 40 Teilnehmende aus ganz Deutschland nahmen im Uniklinikum Würzburg am Symposium „Biostatistik für innovative klinische Studien“ teil, weitere 90 Teilnehmende folgten dem Symposium online. © Verena Bock / NCT WERA

500.000 Euro für die Erforschung eines neuen Therapieansatzes gegen Alzheimer

Michael Briese und Michael Sendtner vom Institut für Klinische Neurobiologie des Uniklinikums Würzburg haben einen neuen Mechanismus entdeckt, der die Bildung schädlicher Tau-Ablagerungen in den langen Fortsätzen der Nervenzellen im Gehirn verhindern könnte. Diese Akkumulationen sind ein zentraler Faktor bei Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Im Mittelpunkt steht das RNA-bindende Protein hnRNP R, das eine Art Transporthelfer für die genetische Information des Tau-Proteins ist. Es befördert die Tau-mRNA gezielt in die Axone. Durch die Hemmung von hnRNP R könnte das Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung aufgehalten werden. Für die Weiterentwicklung dieses vielversprechenden Therapieansatzes erhielt das Team den mit 500.000 Euro dotierten m4 Award des Bayerischen Wirtschaftsministeriums.

Die Preisträger mit Organisatorinnen und Staatssekretär auf der Bühne - davor sind Würfel mit Buchstaben m4 award
Verleihung des m4 Awards an das Würzburger Institut für Klinische Neurobiologie, v.l.n.r.: Dr. Petra Burgstaller (BioM), Dr. Thorsten Zacher (SFT), Prof. Dr. Michael Sendtner (UKW), Dr. Michael Briese (UKW), Christina Enke Stolle (BioM) und Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium © BioM / Bert Willer

Würzburg. Alzheimer ist die häufigste Ursache von Demenz und zählt zu den größten Gesundheitsherausforderungen unserer Zeit. Bei dieser neurodegenerativen Erkrankung sterben Nervenzellen im Gehirn fortschreitend ab. Bislang konzentrierte sich die Alzheimer-Forschung vorwiegend auf die Amyloid-Plaques, die ein typisches Kennzeichen der Erkrankung sind. Die Wirksamkeit von Medikamenten, welche die Plaques reduzieren, ist jedoch umstritten. Daher fokussieren sich immer mehr Forscherinnen und Forscher auf das Tau-Protein, das nicht nur bei Alzheimer, sondern auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie der Frontotemporalen Demenz (FTD) und der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) verändert ist.

Hier ist das Institut für Klinische Neurobiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) nun einen wichtigen Schritt in der Forschung weitergekommen. Prof. Dr. Michael Sendtner, Privatdozent Dr. Michael Briese, Dr. Abdolhossein Zare und Dr. Saeede Salehi haben einen Schlüsselmechanismus zur Verhinderung schädlicher Tau-Ablagerungen im Gehirn entdeckt (bioRxiv - Preprint).

Mit 500.000 Euro dotierter „m4 Award” für Forschungsprojekte mit Ausgründungspotential

Dass eine Weiterentwicklung dieses Forschungsansatzes beträchtliches Potential für die Behandlung von Alzheimer hat, sieht auch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Staatssekretär Tobias Gotthardt und Prof. Dr. Ralf Huss, Geschäftsführer der BioM Biotech Cluster Development GmbH, überreichten am 2. Juli im Rahmen der Konferenz „BayOConnect” in München den mit 500.000 Euro dotierten „m4 Award” an die Arbeitsgruppe von Michael Briese und Michael Sendtner.
Der Preis richtet sich an akademische Forschungsprojekte mit Ausgründungspotenzial im Bereich der Biomedizin und wird alle zwei Jahre an fünf Teams vergeben. Mit der Förderung soll die Fähigkeit zu einer Anschlussfinanzierung erreicht werden. Alle ausgezeichneten Projekte erhalten zudem eine intensive Projektbegleitung auf dem Weg zur Unternehmensgründung.

Tau-Proteine stabilisieren das Zytoskelett, akkumulieren jedoch bei Alzheimer in den Axonen und führen so zum Absterben der Nervenzellen

Doch was sind Tau-Proteine eigentlich? Die Preisträger klären auf: „Tau-Proteine stabilisieren normalerweise die Struktur von Nervenzellen, das sogenannte Zytoskelett. Bei der Alzheimer-Krankheit aggregiert das Tau-Protein jedoch in den langen Fortsätzen, den Axonen, wodurch der intrazelluläre Transport und somit die Zellfunktion gestört werden. Die Nervenzellen sterben nach und nach ab, was sich bei den Betroffenen durch Gedächtnisprobleme, Orientierungslosigkeit und später durch starke kognitive Beeinträchtigungen bemerkbar macht“, erläutert Michael Briese. Der Naturwissenschaftler bringt seine Expertise in der RNA-Forschung seit 2012 in die Projekte zu neurodegenerativen Erkrankungen am UKW ein. Er studierte in Großbritannien, promovierte bei David Sattelle an der University of Oxford (MRC Functional Genetics Unit) und arbeitete anschließend als Postdoc bei Jernej Ule am Medical Research Council (MRC) Laboratory of Molecular Biology in Cambridge.

Warum also Tau nicht komplett blockieren? „Weil es in den Dendriten benötigt wird, zumindest stärker als in den Axonen“, erklärt Michael Sendtner. Der Humanmediziner leitete von 1994 bis 1999 die Klinische Forschergruppe „Neurobiologie“ am UKW, war von 2000 bis 2012 Sprecher des Sonderforschungsbereichs 581 „Molekulare Modelle für Erkrankungen des Nervensystems“ und ist seit der Jahrtausendwende Direktor des Instituts für Klinische Neurobiologie. Im Gegensatz zu den Axonen, welche die Informationen vom Zellkörper weg zu anderen Nervenzellen oder Muskeln leiten, empfangen die kürzeren, stark verästelten und baumartig aufgebauten Dendriten die Informationen von anderen Nervenzellen und leiten sie zum Zellkörper weiter. „Würde man Tau auch in den Dendriten reduzieren, ginge es dem Behandelten genauso schlecht wie bei Alzheimer: Die Person kann nicht mehr klar denken und sich nicht mehr orientieren“, schildert Sendtner.

hnRNP R hilft dabei, die Tau-mRNA in das Axon der Nervenzelle zu transportieren

Man muss also verhindern, dass die Tau-mRNA, also der Bauplan für das Tau-Protein, aus dem Zellkern zum Axon kommt und gewährleisten, dass der Transport zum Dendrit ungehindert läuft. Michael Sendtner zieht zur Veranschaulichung der Transportblockade zum Axon das Beispiel einer Buslinie heran. Die eine Linie geht vom Zellkern zum Dendrit, die andere Buslinie zum Axon. Während Tau zum Dendrit freie Fahrt hat, wird dem Protein der Einstieg in den Bus zum Axon verwehrt. 
Die Forscher schauten sich den Mechanismus genauer an. Eine Zufallsbeobachtung von Michael Briese führte schließlich zur bahnbrechenden Erkenntnis, dass das Protein hnRNP R der zentrale Transporter, also die Buslinie für die Tau-Baupläne zu den Axonen ist.

hnRNP R gehört zur Familie der heterogenen nukleären Ribonukleoproteine (hnRNP), die an RNA binden und eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung der Erbinformationen im Zellkern spielen. „Wir haben beobachtet, dass sich hnRNP R an einen bestimmten Abschnitt der Tau-mRNA, den sogenannten 3'-UTR, anhängt. Weitere Untersuchungen an kultivierten Neuronen, in denen dieses Protein fehlt, zeigten, dass die Menge des Tau-Proteins spezifisch in den Axonen reduziert ist“, berichtet Briese.

Antisense-Oligonukleotide blockieren den Transportprozess und verhindern Bildung von Tau-Aggregaten im Axon, wodurch das Fortschreiten der Erkrankung gestoppt wird

Aus Neugier haben die Forscher sogenannte Antisense-Oligonukleotide (ASOs) entworfen, mit dem das Tau-Protein zielgenau in den Axonen reduziert werden kann. Bei ASOs handelt es sich um kurze (oligo), künstlich hergestellte Stränge aus DNA- oder RNA-Bausteinen (Nukleotide), die entgegengesetzt zur Leserichtung (antisense) der natürlichen mRNA sind. Sie binden sich komplementär an die mRNA, um diese zu blockieren. 
Und siehe da: In den Zellkulturen hatten die ASOs einen „umwerfenden Effekt“, so Sendtner. Sie verhinderten die Bindung der Tau-mRNA an hnRNP R, sodass weniger Tau-mRNA in die Axone gelangt. Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung VERUM testeten sie die ASOs in Mausmodellen. Auch hier waren die Effekte umwerfend. „Unser Wirkstoff konnte das Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung stoppen“, freut sich Michael Briese über diese Entdeckung. Sie stellt einen Meilenstein in der Karriere des Grundlagenwissenschaftlers dar.

Potential für einen klinischen Wirkstoff

Wenn ein ASO, das ursprünglich nur als Proof of Principle gedacht war, derart massive Effekte hatte, wie sehen diese dann nach einer Optimierung zum echten Medikamentenkandidaten in weiteren Mausmodellen und später bei Patientinnen und Patienten aus? Besteht vielleicht sogar die Chance, dass sich die eine oder andere Funktion verbessert, wenn die Krankheit nicht mehr fortschreitet und regenerative Prozesse angestoßen werden? 
Die Forscher wandten sich an das Servicezentrum Forschung und Technologietransfer (SFT) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Dieses half ihnen nicht nur bei der Patentanmeldung, sondern legte ihnen auch eine Bewerbung beim Vorgründungswettbewerb „m4 Award” nahe. Sendtner: „Für die optimale und hochprofessionelle Betreuung und Begleitung durch das SFT, insbesondere durch Dr. Iris Zwirner-Baier, Leiterin des Servicezentrums InterNationalTransfer, Erfinderberaterin und Patentmanagerin, sowie durch den Innovations-Scout Thorsten Zacher, möchten wir uns ganz herzlich bedanken. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir jetzt sind.“ Und zwar im Forschungsprojekt mit dem Namen „blockALZ/MAPT-ASO – Blockade der axonalen Tau-Synthese als neuer Therapieansatz für die Behandlung der Alzheimer-Erkrankung“. 

Der neu entwickelte Wirkstoff mit Potential zur Medikamentenentwicklung soll zunächst in Zellkulturen und später in einem Mausmodell getestet werden. Das unmittelbare Ziel der Ausgründung wäre das präklinische Testen und die Weiterentwicklung der Wirkstoffkandidaten bis hin zur klinischen Studie. „Wenn sich ähnlich gute Effekte zeigen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das Medikament auch beim Menschen anschlägt“, sagt Michael Sendtner. „Unser Therapieansatz ist nicht nur für die Alzheimer-Erkrankung, sondern auch für andere Tauopathien wie die frontotemporale Demenz relevant.“

Bevor die Forscher jedoch auf die Suche nach Investoren gehen, um das Medikament bis zur Marktreife weiterzuentwickeln, suchen sie noch eine Postdoktorandin oder einen Postdoktoranden mit Erfahrung im Bereich Stammzellen für die Kultivierung von humanen Neuronen. Bewerbungen gern an Michael Briese (Briese_M@ ukw.de) oder Michael Sendtner (Sendtner_M@ ukw.de).
 

Die Preisträger mit Organisatorinnen und Staatssekretär auf der Bühne - davor sind Würfel mit Buchstaben m4 award
Verleihung des m4 Awards an das Würzburger Institut für Klinische Neurobiologie, v.l.n.r.: Dr. Petra Burgstaller (BioM), Dr. Thorsten Zacher (SFT), Prof. Dr. Michael Sendtner (UKW), Dr. Michael Briese (UKW), Christina Enke Stolle (BioM) und Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium © BioM / Bert Willer

Wenn Leber und Galle die Knochen schwächen

Marie Schulze vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) erhielt für ihr Forschungsprojekt „Knochenstoffwechsel und Frakturrisiko bei primär biliärer Cholangitis” auf dem 21. HepNet-Symposium der Deutschen Leberstiftung am 27. Juni 2025 in Hannover ein Vernetzungs-Stipendium. Mit dem Preisgeld möchte die Assistenzärztin einen Forschungsaufenthalt im Universitätsspital Zürich in der Schweiz finanzieren. Ziel ist es, das pathophysiologische Verständnis zu vertiefen und eine individualisierte, geschlechtsspezifische Optimierung des Osteoporose-Screenings und der Therapieplanung zu ermöglichen.

Vernetzungs-Stipendium der Deutschen Leberstiftung 2025 – Urkundenverleihung auf dem 21. HepNet Symposium (v. l. n. r.): Prof. Dr. Andreas E. Kremer (Mitglied des Gutachterkomitees), Marie Schulze, Dr. Carina Jacobsen, Prof. Dr. Michael P. Manns (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberstiftung), Quelle: Deutsche Leberstiftung

Würzburg. Marie Schulze konzentriert sich in ihrer Forschung auf die primäre biliäre Cholangitis (PBC). Dabei handelt es sich um eine chronisch-entzündliche, autoimmunbedingte Lebererkrankung, bei der die kleinen Gallengänge innerhalb der Leber allmählich zerstört werden. Dies führt zu einer chronischen Cholestase, also einem Rückstau von Gallenflüssigkeit. Typische Symptome sind Müdigkeit, Juckreiz und im späteren Verlauf eine Gelbfärbung der Haut. Unbehandelt kann PBC in eine Leberfibrose bis hin zur Zirrhose übergehen.
Zudem kann es bei PBC zu einer verminderten Knochendichte kommen. Die chronische Cholestase beeinträchtigt die Aufnahme fettlöslicher Vitamine wie Vitamin D, wodurch die Kalziumaufnahme reduziert wird und die Knochenmineralisierung gestört wird. Zusätzlich fördern chronische Entzündungsprozesse und hormonelle Veränderungen, insbesondere bei fortgeschrittener Lebererkrankung, den Knochenabbau.

Primäre biliäre Cholangitis (PBC) betrifft vor allem Frauen im mittleren Alter

„Da PBC vor allem Frauen mittleren Alters betrifft, die ohnehin ein erhöhtes Risiko für eine verminderte Knochendichte und Osteoporose haben, ist die Gefahr für einen Knochensubstanzverlust bei dieser Patientengruppe besonders hoch“, erklärt Marie Schulze. Präventive, therapeutische und Screening-Maßnahmen haben daher einen besonderen Stellenwert. Wann und wie solche Maßnahmen am besten durchgeführt werden können, will die Assistenzärztin in der Hepatologie am Uniklinikum Würzburg (UKW) in ihrem neuen Forschungsprojekt untersuchen. Dafür hat sie am 27. Juni 2025 auf dem 21. HepNet Symposium der Deutschen Leberstiftung in Hannover ein Vernetzungs-Stipendium erhalten.

Große Patientinnenkohorten am UKW und Universitätsspital Zürich

Ihre Forschung ist nämlich mit dem Universitätsspital Zürich (USZ) vernetzt. An beiden Einrichtungen, USZ und UKW, gibt es eine große Kohorte von Patientinnen mit PBC. Anhand dieser Kohorten möchte Marie Schulze den Einfluss der Grunderkrankung sowie der verschiedenen PBC-Therapien auf die Knochendichte und den Knochenstoffwechsel analysieren. Zur Therapie wird vor allem das Medikament Ursodesoxycholsäure (UDCA) eingesetzt, eine entzündungshemmende, natürlich vorkommende Gallensäure. „Für jeden Zweiten, der nicht auf UDCA ansprach, gab es bis vor kurzem noch keine guten Optionen“, sagt Prof. Dr. Andreas Geier, Leiter der Hepatologie am UKW. „Allerdings gab es hier vor einem halben Jahr mit der Zulassung der Peroxisome-Proliferator-Activated-Receptor-Agonisten (PPAR-Agonisten) für PBC einen Durchbruch.“ Der klinische Verlauf unter Therapie mit dieser Medikamentenklasse ist ebenfalls Teil des Forschungsprojekts.

Deutsche Leberstiftung unterstützt mit Vernetzungs-Stipendien zukunftsgerichtete, patientenzentrierte Leberforschung

Mit dem Stipendium der Deutschen Leberstiftung, welches die Übernahme der Reisekosten, der Unterkunft vor Ort sowie gegebenenfalls der Verbrauchsmittel in der gastgebenden Forschungseinrichtung umfasst, möchte Marie Schulze in Zürich an der Datenerfassung und -analyse mitarbeiten. Gefördert wird ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten.

Für das Vernetzungs-Stipendium der Deutschen Leberstiftung haben sich Forschende aus Medizin und Wissenschaft aus ganz Deutschland mit ihren Projekten beworben. Die Prüfung der Förderanträge erfolgte durch ein unabhängiges Gutachterkomitee. In diesem Jahr hat das Gutachterkomitee die Förderung von zwei Projekten beschlossen. Neben dem Projekt von Marie Schulz wird das Projekt „Identifying how HDV-specific CD8+ T-cell clonotypes contribute to viral clearance in an in vitro HBV/HDV infection system” von Dr. Carina Jacobsen von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit einem Forschungsaufenthalt am Universitätsklinikum Heidelberg gefördert.

„Die Vernetzungs-Stipendien der Deutschen Leberstiftung sind wichtige Fördermaßnahmen und stärken die interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit zwischen führenden hepatologischen Forschungszentren. Diese Stipendien bündeln komplementäre wissenschaftliche Kompetenzen und technische Ressourcen, um innovative Fragestellungen mit hoher klinischer Relevanz effizient und praxisnah zu bearbeiten“, beschreibt Prof. Dr. Andreas E. Kremer vom USZ die Bedeutung des Stipendiums und ergänzt: „Die mit dem Vernetzungs-Stipendium geförderten Projekte stehen exemplarisch für eine zukunftsgerichtete, patientenzentrierte Leberforschung, die sowohl die Grundlagenforschung als auch eine klinische Umsetzung im Blick hat.“

Neue Arbeitsgruppe „Biliäre Erkrankungen“ am UKW

Biliäre Erkrankungen, das heißt Krankheiten, die die Gallenwege, die Gallenblase und/oder die Gallensekretion in der Leber betreffen, nehmen weltweit zu. Gründe dafür sind die steigende Lebenserwartung, der zunehmende Anteil autoimmuner und entzündlicher Erkrankungen sowie der weltweite Anstieg von Übergewicht und Bewegungsmangel. All dies begünstigt insbesondere die Bildung von Gallensteinen. Zudem führen verbesserte Diagnostikverfahren dazu, dass diese Erkrankungen heute häufiger erkannt und dokumentiert werden als noch vor wenigen Jahrzehnten. Das UKW trägt diesem Anstieg Rechnung und gründete im vergangenen Jahr die neue Arbeitsgruppe „Biliäre Erkrankungen“, der auch Prof. Gerd Sauter, Oberarzt im Schwerpunkt Hepatologie, mit angehört.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

Zukunft sichern und Nachwuchs fördern

Martin Fassnacht ist in das Präsidentenamt der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) gewählt worden

Porträt von Martin Fassnacht mit dunklem Hemd und grauem Pullover über den Schultern
Neuer Präsident, neue Impulse: Martin Fassnacht ist gewählter Präsident der DGE. © TR-SFB 205 / UKW

Würzburg. „Die Endokrinologie macht sich oft kleiner, als sie ist“, sagt Prof. Dr. Martin Fassnacht, der den Lehrstuhl für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) leitet und neuer President-elect der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) ist. Schon als Student habe er immer wieder gehört, es ginge bergab mit dem Fach, in dem die hormonproduzierenden Drüsen im Mittelpunkt stehen. Tatsächlich ist die Endokrinologie eine vergleichsweise kleine internistische Subspezialität. Und es gibt aktuell nur elf Lehrstühle für Endokrinologie und Diabetologie und sogar nur sieben eigenständige Kliniken für das Fach in Deutschland. Die Konsequenzen sind ein potentieller Nachwuchsmangel in der Zukunft und aktuell bereits Versorgungsengpässe in der Betreuung von Patientinnen und Patienten mit sehr langen Wartezeiten. 

Schlüsselgebiet mit wachsender klinischer und gesellschaftlicher Bedeutung

Dabei hat die Endokrinologie in Deutschland eine hohe wissenschaftliche Relevanz mit internationaler Strahlkraft. Und der Bedarf an hoch spezialisierten Endokrinologinnen und Endokrinologen steigt stetig. Denn hormonell bedingte Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas, Schilddrüsenerkrankungen und Osteoporose sowie altersbedingte endokrinologische Multimorbiditäten nehmen zu und erfordern komplexe Behandlungsstrategien. Gleichzeitig kommen neue Herausforderungen wie die Transgender-Medizin, Umwelthormone und ihre Effekte auf Pubertät und Fruchtbarkeit sowie individuelle Hormontherapien, zum Beispiel in den Wechseljahren, hinzu. Fortschritte in der Molekular- und Systemmedizin verlangen zudem fundiertes Spezialwissen. 

„Es hängt vom Nachwuchs ab, ob unser Fach überlebt“

Die Förderung des Nachwuchses liegt Martin Fassnacht daher besonders am Herzen. Diese möchte er auch als DGE-Präsident weiter voranbringen. Am 1. Juli 2025 beginnt seine einjährige Einarbeitungsphase als designierter Präsident, ab dem 1. Juli 2026 ist Fassnacht dann drei Jahre lang offizieller Präsident der DGE. Der Mediziner trat der Fachgesellschaft bereits 1997 als Student bei und begründete zwei Jahre später mit einer weiteren jungen Endokrinologin und einem Endokrinologen in Ausbildung die Nachwuchsinitiative YARE (Young Active Research in Endocrinology), die im Verlauf auch der Vorläufer von EYES (European Young Endocrine Scientists) wurde. Bei YARE steht „jung“ weniger für das Alter, sondern vielmehr für den Karrierebeginn in der Endokrinologie. YARE richtet sich an Studierende, Promovierende, Assistenzärztinnen und -ärzte sowie Postdocs, die neu im Fachgebiet sind. Die Initiative organisiert unter anderem eine eigene Jahrestagung, Sessions im Rahmen des DGE-Kongresses sowie die Mitgestaltung der ESE Summer School. Zudem vergibt YARE Reisestipendien und einen Dissertationspreis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. 

„YARE ist jetzt schon sehr aktiv, aber wir müssen die Nachwuchsarbeit noch mehr intensivieren“, meint Fassnacht. „Es ist unsere Aufgabe als Fachgesellschaft, die jungen Leute noch stärker zu fördern, ihnen klinische und wissenschaftliche Mentoren zur Seite zu stellen und sie auch zu motivieren, ihre Forschung zu präsentieren und sich in Gremienarbeit einzubringen. Es hängt vom Nachwuchs ab, ob unser Fach überlebt.“

Mehr Commitment und Berufspolitik

Auch von den etablierten Mitgliedern der DGE wünscht sich Fassnacht künftig mehr Engagement. „Wir haben zahlreiche Arbeitsgruppen, die sich über Input freuen.“ Wenn alle ein bisschen mehr Verantwortung übernehmen, können wir die DGE noch schlagkräftiger machen. Immerhin ist sie mit rund 1.660 Mitgliedern eine der größten endokrinologischen Fachgesellschaften Europas. Sie vertritt die Interessen all derer, die im Bereich Hormone und Stoffwechsel forschen, lehren oder ärztlich tätig sind. 
Und genau deshalb müsse er sich zwangsläufig mit einem weiteren Feld beschäftigen, das nicht zur Primäraufgabe der eher wissenschaftlich geprägten DGE gehöre. „Wir müssen uns um die Berufspolitik kümmern“, meint Fassnacht und gibt zu: „In der Vergangenheit haben wir zum Beispiel bei der Einführung der Vergütung über Fallpauschalen geschlafen.“ Beim sogenannten DRG-System wird in Krankenhäusern nicht nach tatsächlichem Aufwand abgerechnet, sondern nach diagnosebezogenen Fallgruppen (Diagnosis Related Groups, kurz DRG). „Der Endokrinologie, in der es wenig apparative Diagnostik gibt und die eindeutig zur ‚sprechende Medizin‘ gehört, sind aber kaum DRGs zugeordnet, es gibt fast nur die Zweiteilung schwere oder leichte Fälle“, so Fassnacht. Hier müsse die Endokrinologie viel differenzierter betrachtet werden, zumal sie aufgrund der vielen komplexen Erkrankungen, die nicht nach Schema F behandelt werden können, sehr personalintensiv ist.

Komplexität spezialisierter Fächer muss in der Krankenhausreform explizit honoriert werden

Die geplante Krankenhausreform will das DRG-System zwar teilweise entschärfen und von einer reinen Fallpauschalen-Logik hin zu mehr Vorhaltefinanzierung übergehen. Das heißt, Kliniken bekommen Geld dafür, dass sie bestimmte Leistungen und Strukturen ständig bereitstellen - und nicht nur, wenn sie viele Behandlungsfälle haben. Das Reformmodell sieht jedoch eine Einstufung in Leistungsgruppen wie Notfallmedizin, Grundversorgung, Geburtshilfe, Chirurgie etc. vor. Es besteht die Gefahr, dass Kliniken aus Kostengründen auf Fächer wie die Endokrinologie verzichten und dann größerer Landstriche keine adäquate endokrinologische Versorgung bieten können. „Die Reform könnte aber auch ein Vorteil für die Endokrinologie sein“, meint Fassnacht. „Wenn die Politik und Kliniken erkennen, dass auch vermeintlich kleine, spezialisierte Fächer ebenfalls strukturrelevante und unverzichtbare Leistungen erbringen, die gezielt abgesichert werden müssen. Und gerade bei der Versorgung der vielen Patientinnen und Patienten mit Diabetes ist dies in Zukunft essentiell. Wenn die Finanzierung nicht gesichert ist, könnte die Versorgung weiter zentralisiert oder sogar abgebaut werden.“ 
Das Gleiche gelte für die Endokrinologie im niedergelassenen Bereich. Das Diagnostizieren und Behandeln von Patientinnen und Patienten mit Hormonstörungen müsse zudem attraktiv bleiben beziehungsweise attraktiver werden. Fassnacht: „Es ist nicht sinnvoll, dass zukünftig immer mehr Menschen mit hormonellen Erkrankungen stationär behandelt werden müssen.“

Schulterschluss mit der European Society of Endocrinology

Last but not least fordert Fassnacht einen noch engeren Schulterschluss mit der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie (European Society of Endocrinology, ESE). „Vieles geht einfach nur im europäischen Kontext“, sagt Fassnacht, der Mitglied verschiedener Gremien nationaler und internationaler endokrinologischer Fachgesellschaften ist. Er war beispielsweise Mitglied im Clinical Committee und im Executive Committee der ESE, ist Gründungsmitglied und war zwischenzeitlich Präsident des European Network for the Study of Adrenal Tumours (ENSAT) sowie Mitglied unterschiedlicher Kommittees der amerikanischen Endocrine Society. „Die DGE ist jedoch meine Heimatfachgesellschaft, und ich freue mich, wenn ich dazu beitragen kann, die Endokrinologie in Deutschland zu stärken.“

Zur Person
Martin Fassnacht wurde 1971 in Ludwigshafen am Rhein geboren. Er studierte Humanmedizin an der Universität des Saarlandes in Homburg/Saar sowie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Bereits in seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit Nebennierentumoren. Zunächst erforschte er deren Zell- und Molekularbiologie, später befasste er sich auch mit der klinischen Versorgung dieser seltenen Krebsart. Von 2003 bis 2005 war er als Postdoktorand an der Duke University in North Carolina (USA) tätig, wo er sich auf immuntherapeutische Ansätze gegen Tumoren des Hormonsystems spezialisierte. Seit 2007 beschäftigte er sich zusätzlich intensiv mit dem Schilddrüsenkarzinom. Nach mehreren Jahren klinischer und experimenteller Arbeit in der Würzburger Endokrinologie wurde er 2012 zum Professor für Endokrinologie an der LMU in München berufen. Zwei Jahre später, im Jahr 2014, kehrte er ans UKW zurück und trat die Nachfolge von Prof. Dr. Bruno Allolio an. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen heute vor allem im Bereich endokriner Tumoren, Erkrankungen der Nebenniere und Hypophyse sowie Adipositas. Er leitete mehrere nationale und internationale Leitliniengremien, war Hauptprüfer mehrerer Phase-II- und -III-Studien zu Nebennierentumoren, ist Autor von mehr als 300 Publikationen und wurde mehrfach für seine wissenschaftlichen Leistungen ausgezeichnet. 

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

Porträt von Martin Fassnacht mit dunklem Hemd und grauem Pullover über den Schultern
Neuer Präsident, neue Impulse: Martin Fassnacht ist gewählter Präsident der DGE. © TR-SFB 205 / UKW