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Wie Darmbakterien zum Kampf gegen Krebs beitragen

Maik Luu erhält für seine Forschung zu Stoffwechselprodukten von Darmbakterien, die Immunzellen effizienter für die Vernichtung von Krebszellen machen, ein Stipendium der Universität Würzburg und der Novartis Stiftung für therapeutische Forschung.

Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg überreicht Dr. Maik Luu das Graduiertenstipendium der Stiftung für therapeutische Forschung. © Margot Rössler/UKW
Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg überreicht Dr. Maik Luu das Graduiertenstipendium der Stiftung für therapeutische Forschung. © Margot Rössler/UKW

Drei Jahre lang durfte die Medizinische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg jährlich eine junge Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler für das Graduiertenstipendium der Novartis Stiftung für therapeutische Forschung nominieren. Nach Dr. Lisa Rauschenberger, die neurologischeBewegungsstörungen erforscht, und Dr. Florian Kleefeldt, der die Altersbedingte Gefäßverkalkung untersucht, darf sich nun Dr. Maik Luu über die mit 8.000 Euro dotierte Auszeichnung freuen.

Der Postdoc im Labor von Professor Michael Hudecek in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Würzburger Universitätsklinikums hat im vergangenen Jahr mit einer herausragenden Publikation in der Fachzeitschrift Nature Communications auf seine Arbeit aufmerksam gemacht. Mit einem Forschungsteam aus Würzburg und Marburg, wo der Humanbiologe studiert und gearbeitet hat, ist ihm erstmals der experimentelle Nachweis gelungen, dass bestimmte Stoffwechselprodukte von Darmbakterien die Aktivität der Immunzellen steigern und somit die Effizienz von Krebstherapien positiv beeinflussen. 

Fettsäuren steigern Aktivität der Immunzellen

Seit der Jahrtausendwende rücken die Billionen von Bakterien, die jeder Mensch im Darm hat, immer stärker in den Fokus der Medizinforschung. Denn sie beeinflussen nicht nur die Verdauung, das Darmmikrobiom kann auch Krankheiten verhindern. So produziert zum Beispiel das Bakterium Megasphaera massiliensis im menschlichen Verdauungstrakt die kurzkettige Fettsäure Pentanoat, wie Maik Luu herausgefunden hat. Und die ist in der Lage, die zytotoxische Aktivität von CD8-T-Zellen zu steigern. CD8-T-Zellen haben ähnlich wie CAR-T-Zellen als Teil des Immunsystems die Aufgabe, schädliche Zellen auszuschalten.

Luu konnte im Experiment zeigen, dass eine Behandlung mit der Fettsäure Pentanoat die Fähigkeit von Tumor-spezifischen T-Zellen verbessert hat, solide Tumormodelle zu bekämpfen. „Diese Erkenntnis kann helfen, verschiedene Krebstherapien noch wirksamer zu machen“, kommentiert Prof. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät, Luus Nominierung.

„Ich freue mich sehr, dass wir in Würzburg so überragend begabte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler wie Maik Luu haben, die dazu beitragen, mit der permanenten Weiterentwicklung von Immuntherapien den Kampf gegen Krebs zu verbessern. Vor allem in der Erforschung, Anwendung und Ausweitung der CAR-T-Zell-Therapie arbeitet der Würzburger Wissenschaftsstandort seit vielen Jahren in der Weltelite mit.“

Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg überreicht Dr. Maik Luu das Graduiertenstipendium der Stiftung für therapeutische Forschung. © Margot Rössler/UKW
Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg überreicht Dr. Maik Luu das Graduiertenstipendium der Stiftung für therapeutische Forschung. © Margot Rössler/UKW

Neuer Schub für Immuntherapien

Ein neuer Forschungsverbund will die Immuntherapie mit CAR-T-Zellen weiter verbessern. Wichtige Partner sind Universität und Universitätsklinikum Würzburg.

Jedes Jahr erkranken rund 18 Millionen Menschen weltweit an bösartigen Tumoren. Mehr als die Hälfte der Betroffenen sterben daran.

Als Hoffnungsträger für bessere Überlebenschancen gelten neue Immuntherapien, bei denen den einzelnen Patientinnen und Patienten Abwehrzellen (T-Zellen) entnommen und so verändert werden, dass sie die Tumorzellen besser erkennen. Diese effektiveren CAR-T-Zellen werden den Erkrankten dann mittels Infusion wieder zugeführt.

Damit die CAR-T-Immuntherapie gelingt, müssen zuerst passende Antigene auf den Tumorzellen identifiziert werden. Dann gilt es, geeignete T-Zellen zu finden und sie mit hoher Präzision in effektive CAR-T-Zellen umzuwandeln. In diesem Prozess kommen bislang zwei Nachweismethoden zum Einsatz, deren Sensitivität zu wünschen übriglässt – die Immunhistochemie und die Durchflusszytometrie.

Mikroskopie-Plattform mit Super-Auflösung

Hier will das Initiativprojekt IMAGINE (Fighting Cancer with Optimal Personalized Immunotherapies) für Fortschritte sorgen.

„Wir möchten eine superauflösende Mikroskopie-Plattform entwickeln, die im klinischen Alltag einsetzbar ist“, sagt der Mikroskopie-Experte Professor Markus Sauer von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), der den neuen Verbund koordiniert.

Die Plattform soll automatisiert und mit hohem Probendurchsatz tumorspezifische Antigene auf Tumorzellen erkennen. Außerdem soll sie die Qualität der im Labor erzeugten Antigen-Rezeptoren für die CAR-T-Zellen charakterisieren. „Damit könnten die beiden Zielmoleküle, Tumorantigene und Rezeptoren, mit bislang ungekannter Präzision identifiziert werden“, so Professor Sauer.

Gefördert vom Bundesforschungsministerium

Dem neuen Verbund aus sieben Partnern steht ein Budget von zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Gefördert wird er vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Offiziell ist das Projekt am 1. Oktober 2021 mit einer Laufzeit von drei Jahren gestartet.

Neben dem JMU-Lehrstuhl von Markus Sauer ist auch ein Team um Klinikdirektor Professor Hermann Einsele, Professor Michael Hudecek und Dr. Thomas Nerreter von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg beteiligt.

CAR-T-Zellen auch für andere Krankheiten

Das Team um Einsele und Hudecek arbeitet auf dem Gebiet der CAR-T-Zellen seit vielen Jahren in der Weltelite mit – das gilt sowohl für die präklinische Entwicklung als auch für die klinische Anwendung der ersten Präparate bei Leukämie und Multiplem Myelom.

Im Verbund wollen sich die Mediziner in der ersten Phase auf Patientinnen und Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie konzentrieren. „Sie sprechen zwar sehr häufig auf die CAR-T-Zell-Therapie an, erleiden dann aber oft einen Rückfall“, erklärt Professor Einsele. Weitere Krebsarten, gegen die CAR-T-Zellen schon eingesetzt werden, sind Lymphknotenkrebs oder das Multiple Myelom. „Bei beiden ist die Ansprechrate deutlich geringer und der Verbesserungsbedarf noch größer.“

IMAGINE lege den Grundstein dafür, dass CAR-T-Zellen in naher Zukunft auch für die Behandlung häufiger Krebsformen wie Brustkrebs, Lungenkrebs, Darmkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs zum Einsatz kommen können, sagt Professor Einsele. Zusätzlich seien Immuntherapien zukünftig auch bei Infektionserkrankungen, Autoimmunerkrankungen, degenerativen Erkrankungen und Herz-Gefäßkrankheiten denkbar.

„Die Immuntherapie mit CAR-T-Zellen ist von höchster Bedeutung, weil sie das Potenzial hat, Monate oder Jahre dauernde konventionelle Krebstherapien durch eine Einmalbehandlung mit CAR-T-Zellen zu ersetzen“, so Professor Hudecek. Dadurch würden die Ressourcen des Gesundheitssystems geschont und die Wiedereingliederung der Patientinnen und Patienten in den Beschäftigungsprozess unterstützt.

Text: Robert Emmerich

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Anti-Tumormittel aus dem Darm

Bestimmte Stoffwechselprodukte von Bakterien aus dem Darm machen Immunzellen aggressiver. Das zeigt eine neue Studie der Universitäten Würzburg und Marburg. Die Erkenntnisse könnten helfen, Krebstherapien zu verbessern.

Es soll an der Entstehung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen beteiligt sein, Diabetes auslösen, für Übergewicht sorgen, sogar neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Parkinson könnten hier ihre Ursachen haben – ganz zu schweigen von Depressionen und autistischen Störungen. Die Rede ist vom Mikrobiom – der gewaltigen Ansammlung von Bakterien im menschlichen Darm. Jeder Mensch trägt geschätzt rund 100 Billionen Bakterienzellen in seinem Verdauungstrakt, die mehreren tausend Arten angehören.Im Mittelpunkt der Forschung steht das Mikrobiom seit gut 20 Jahren – seit eine neue Technik eine schnelle und präzise Analyse dieser Bakterien möglich gemacht hat: die Hochdurchsatzsequenzierung. Seitdem häufen sich die Befunde, dass das Mikrobiom, das bisweilen auch als zweites menschliches Genom bezeichnet wird, nicht nur für die Verdauung von zentraler Bedeutung ist, sondern auch eine Vielzahl von Körperfunktionen, wenn nicht steuert, so doch zumindest beeinflusst. Besonders häufig genannt wird dabei das Immunsystem.

Das Mikrobiom beeinflusst das Immunsystem

Jetzt ist Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Würzburg und Marburg erstmals der experimentelle Nachweis gelungen, dass bakterielle Stoffwechselprodukte in der Lage sind, die zytotoxische Aktivität bestimmter Immunzellen zu steigern und damit die Effizienz von Tumortherapien positiv zu beeinflussen. Über die Zusammensetzung der Bakterienarten im Mikrobiom könnte somit im Idealfall dessen Einfluss auf den Therapieerfolg gesteuert werden.Die Ergebnisse seiner Studie hat das Forschungsteam in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Verantwortlich dafür war Dr. Maik Luu, Postdoc im Labor von Professor Michael Hudecek in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Würzburger Universitätsklinikums. Weiterer Beteiligter war Professor Alexander Visekruna vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Philipps-Universität Marburg, wo Luu vor seinem Wechsel nach Würzburg geforscht hat.

Fettsäuren steigern die Aktivität der Killerzellen

„Wir konnten zeigen, dass die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat und insbesondere Pentanoat in der Lage sind, die zytotoxische Aktivität von CD8-T-Zellen zu steigern“, beschreibt Maik Luu das zentrale Ergebnis der jetzt veröffentlichten Studie. CD8-T-Zellen werden bisweilen auch Killerzellen genannt. Als Teil des Immunsystems ist es ihre Aufgabe, für den Organismus schädlich Zellen gezielt zu töten.Kurzkettige Fettsäuren wiederum gehören zur dominantesten Klasse von Stoffwechselprodukten des Darmmikrobioms. Sie können auf der einen Seite den Stoffwechsel von T-Zellen ankurbeln, indem sie zentrale Regulatoren des Energiestoffwechsels induzieren. Auf der anderen Seite können sie spezielle Enzyme hemmen, welche in den T-Zellen die Zugänglichkeit zum Erbgut und somit die Gen-Expression regulieren. Dabei rufen sie epigenetische Veränderungen hervor.

Solide Tumormodelle werden effektiver bekämpft

„Wenn kurzkettige Fettsäuren CD8-T-Zellen umprogrammieren, führt dies unter anderem zu einer gesteigerten Produktion entzündungsfördernder und zytotoxischer Moleküle“, erklärt Luu. Im Experiment steigerte eine Behandlung mit der Fettsäure Pentanoat die Fähigkeit von Tumor-spezifischen T-Zellen, solide Tumormodelle zu bekämpfen. „Denselben Effekt konnten wir bei der Bekämpfung von Tumorzellen mit sogenannten CAR-T-Zellen beobachten“, sagt der Wissenschaftler.CAR-T-Zellen sind ausgeschrieben „Chimäre Antigen-Rezeptor-T-Zellen“. Während normale T-Zellen gegenüber Tumorzellen weitgehend „blind“ sind, sind CAR-T-Zellen dank einer gentechnologischen Veränderung in der Lage, spezifische Ziel-Antigene auf der Tumoroberfläche zu erkennen und die Krebszellen zu vernichten. Michael Hudecek ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der CAR-T-Zell-Forschung.

Gezielte Steuerung über die Zusammensetzung des Mikrobioms

„Die Ergebnisse sind somit ein Beispiel dafür, wie Stoffwechselprodukte der Darmbakterien den Stoffwechsel und die Gen-Regulation unserer Zellen verändern und damit die Effizienz von Tumortherapien positiv beeinflussen können“, sagt Maik Luu. Davon profitieren könnte insbesondere der Einsatz von CAR-T-Zellen gegen solide Tumore.In diesen Fällen ist eine Therapie mit den genetisch veränderten Zellen bislang nämlich deutlich weniger effektiv als die Behandlung hämatologischer Tumorerkrankungen wie etwa einer Leukämie. Ändern könnte sich dies, wenn die CAR-T-Zellen vor ihrem Einsatz beim Patienten mit Pentanoat oder anderen kurzkettigen Fettsäuren behandelt wurden, so die Hoffnung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.Über die Zusammensetzung der bakteriellen Darmbesiedlung ließe sich dieser Effekt möglicherweise gezielt nutzen – zumal Luu und die weiteren an der Studie Beteiligten auch den wesentlichen Pentanoat-Produzenten der Darmflora identifizieren konnten: das Bakterium Megasphaera massiliensis.

Weiter Weg bis zum Einsatz in der Klinik

Bis die neuen Erkenntnisse zu neuen Therapien für Krebspatienten führen, ist es allerdings noch ein weiter Weg. In einem nächsten Schritt will das Forschungsteam zunächst das Spektrum der untersuchten Tumorerkrankungen erweitern und neben weiteren soliden Tumoren auch hämatologische Tumorerkrankungen wie das Multiple Myelom betrachten. Darüber hinaus will es die Arbeitsweise kurzkettiger Fettsäuren intensiver untersuchen, um so Ansatzpunkte für gezielte genetische Veränderungen zu identifizieren.Finanziell unterstützt wurde die Studie von der P. E. Kempkes-Stiftung, der Von Behring-Röntgen-Stiftung, der Deutschen Krebshilfe, der Fazit-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Originalpublikation

Microbial short-chain fatty acids modulate CD8+ T cell responses and improve adoptive immunotherapy for cancer. Maik Luu, Zeno Riester, Adrian Baldrich, Nicole Reichardt, Samantha Yuille, Alessandro Busetti, Matthias Klein, Anne Wempe, Hanna Leister, Hartmann Raifer, Felix Picard, Khalid Muhammad, Kim Ohl, Rossana Romero, Florence Fischer, Christian A. Bauer, Magdalena Huber, Thomas M. Gress, Matthias Lauth, Sophia Danhof, Tobias Bopp, Thomas Nerreter, Imke E. Mulder, Ulrich Steinhoff, Michael Hudecek, Alexander Visekruna. Nature Communications.

Text: Gunnar Bartsch

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