Aktuelle Meldungen

Großzügige Unterstützung für Endometriose-Crashkurs

Die Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp fördert ein neues Endometriose-Schulungsprojekt der Würzburger Universitäts-Frauenklinik mit einer 10.000-Euro-Spende. Der geplante Crashkurs soll niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen Wege zur richtigen Diagnose und Behandlung der verbreiteten Erkrankung aufzeigen.

Scheckübergabe 10.000 € für Endometriose-Schulungsprojekt
Bei der Scheckübergabe (von links): Dr. Gunther Schunk, Erhard Frank, Catharina Kipping (alle Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp), Isabelle Rosenow (Vogel Communications Group) sowie Dr. Saskia-Laureen Herbert, Dr. Anastasia Altides und Prof. Dr. Achim Wöckel (alle Uniklinikum Würzburg). Bild: UKW / Susanne Just

 

Bei der Endometriose wachsen gebärmutterschleimhautähnliche Zellverbände außerhalb der Gebärmutterhöhle, also zum Beispiel im Scheidenbereich, im Bauchfell, in den Eierstöcken oder in der Darmwand.

„Je nach Lokalisation und Einzelfall kann dies zu sehr unterschiedlichen Beschwerden führen, was die richtige Diagnosestellung oft zu einer Herausforderung macht“, weiß Dr. Anastasia Altides. Die Leiterin des zertifizierten Endometriosezentrums des Uniklinikums Würzburg (UKW) fährt fort: „Um hier den niedergelassenen Frauenärztinnen und Frauenärzten die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten im ambulanten Setting aufzuzeigen, planen wir, im kommenden Jahr einen entsprechenden Crashkurs anzubieten.“

Damit das Vorhaben auch tatsächlich Wirklichkeit werden kann, überreichte die Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp den Projektverantwortlichen des UKW Anfang November dieses Jahres eine Spende über 10.000 Euro.
„Wie wir erfahren haben, ist etwa jede zehnte Frau in Deutschland von Endometriose betroffen. Der Kurs wird also dazu beitragen, dass wirklich vielen Frauen ein unnötig langer Leidensweg erspart bleibt. Damit ist das Geld aus unserer Sicht sehr gut investiert“, kommentierte Catharina Kipping, Referentin der Stiftung, bei der symbolischen Scheckübergabe am Klinikum.
 

Prof. Dr. Achim Wöckel, der Direktor der Würzburger Universitäts-Frauenklinik, bedankte sich – gerade auch im Namen der Betroffenen – herzlich für die großzügige Unterstützung.

 

Mammadiagnostik: UKW bietet komplette Palette!

Das Uniklinikum Würzburg (UKW) informiert im Brustkrebsmonat Oktober über die Früherkennung und Diagnostik und die Radiologie als Dreh- und Angelpunkt im Brustzentrum.

Mitarbeiter sichtet am Computer Mammografie-Bilder
Bearbeitung der Fallsammlung „Blended Learning Mammadiagnostik“ © privat
Preisträger und Preisträgerinnen mit Urkunden
Verleihung des Eugenie-und-Felix-Wachsmann-Innovationspreises 2023 beim Deutschen Röntgenkongress 2023. V.l.n.r.: Prof. Dr. Michael Uder (Vorsitzender der Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie), Dr. Philip Gruschwitz, Dr. Sara Christner, Dr. Stephanie Sauer; © privat
Stephanie Sauer hält auf Röntgenkongress einen Vortrag
Dr. Stephanie Sauer, Leiterin der Gynäkologischen Radiologie am Uniklinikum Würzburg, präsentiert auf dem Deutschen Röntgenkongress 2023 das Konzept „Blended Learning Mammadiagnostik“. © privat
MRT-Bild eines 8 Millimeter großen Mammakarzinoms
Frühzeitige Detektion eines kleinen (8 mm) Mammakarzinoms der linken Brust bei einer 62-jährigen Patientin mit bekannter Genmutation im MRT. © Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, UKW
Mammographie-Bild zeigt mehrere Herde und bösartige Verkalkungen
Mammographie der linken Brust einer 59-jährigen Patientin mit Brustkrebs mit mehreren Herden und bösartigen Verkalkungen, die sämtlich im Rahmen der operativen Therapie entfernt werden müssen. © Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, UKW
Geräteaufnahme vom Upright-Biopsiesystem
Beim Upright-Biopsiesystem können die Patientinnen aufrecht am Mammographiegerät sitzen, wodurch mehr Stellen erreicht werden. Zudem ist das Verfahren schneller und angenehmer für die Patientinnen und liefert eine bessere Bildqualität. © privat

Am 21. September 2023, wenige Tage vor dem Brustkrebsmonat Oktober hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die obere Altersgrenze für die Teilnahme am Früherkennungsprogramm auf Brustkrebs um 5 Jahre erweitert. Zukünftig können alle Frauen im Alter von 50 bis 75 Jahren alle zwei Jahre am Mammographie-Screening teilnehmen. „Das war eine ganz wichtige Entscheidung“, sagt Dr. Stephanie Sauer, Oberärztin und Leiterin der Gynäkologischen Radiologie am Uniklinikum Würzburg. „Die Menschen, und damit unsere Patientinnen werden älter, die Therapien besser. Das heißt, auch ältere profitieren vom Mammographie-Screening-Programm, das zwischen 2005 und 2009 flächendeckend in Deutschland eingeführt wurde. Eine frühe Entdeckung geht in der Regel mit einer schonenderen Behandlung und besseren Heilungschance einher.“

Mammographie-Screening? Unbedingt! 

Sollte jede Frau zwischen 50 und 75 die Früherkennung wahrnehmen? „Unbedingt!“, meint Stephanie Sauer. Den Bedenken, die einige noch der Früherkennung entgegenbringen, wie etwa eine sogenannte Überdiagnose - es wird Brustkrebs gefunden, der aber nicht Lebens-limitierend ist -  und darauffolgende nicht zwingend notwendige Behandlungen oder belastende falsch-positive Befunde, die sich nach weiteren Untersuchungen oder Gewebeentfernungen als gutartig erweisen, entgegnet die Radiologin: „Jede Patientin ist anders und wir müssen natürlich hören, was sie möchte und ihre Bedenken berücksichtigen. Schließlich muss sie die Entscheidung über das weitere Vorgehen mittragen. Wir haben aber inzwischen eine sehr gute Datenlage und können gut beraten.“ 

UKW liefert zertifizierte Fallsammlung für deutschlandweite Weiterbildung

Damit das auch weiterhin fundiert möglich ist, wird großer Wert auf eine umfassende Ausbildung gelegt. Einen wichtigen Baustein mit nationaler Beachtung hat Stephanie Sauer jetzt gemeinsam mit Dr. Sara Christner und Dr. Philip Gruschwitz mit dem Programm „Blended Learning Mammadiagnostik“ gelegt. Das Team aus Würzburg hat ein digitales und interaktives Konzept entwickelt, mit dem sie anhand von 500 Fällen das gesamte Spektrum der Mammadiagnostik zeigen. Für ihre Fallsammlung wurden sie auf dem Röntgenkongress in Wiesbaden in diesem Jahr von der Deutsche Röntgengesellschaft e.V. (DRG) mit dem Eugenie-und-Felix-Wachsmann-Innovationspreis 2023 geehrt. 

Die Idee ist aus einem hauseigenen Problem geboren. Angehende Radiologinnen und Radiologen müssen in der Mammadiagnostik 1.500 Fälle sehen, bevor sie die Facharztprüfung ablegen dürfen. Da viele Screening-Untersuchungen jedoch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten stattfinden, und durch die gestiegene Zahl an Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie die Rotationszeiten verkürzt werden mussten, war es kaum möglich, diese hohe Fallzahl zu erfüllen. „Also haben wir eine Mischung aus 500 seltenen, häufigen, schwierigen und leichten Fällen zusammengestellt, diese didaktisch aufgearbeitet, sodass nun eine fundierte Ausbildung möglich ist“, erläutert Stephanie Sauer. Und das nicht nur am UKW, sondern in ganz Deutschland. „Da wir nicht die einzigen sind, die dieses Problem hatten, stellen wir unsere, übrigens von der DRG zertifizierten Fälle auf der digitalen Lernplattform conrad zur Verfügung.“ 

Prof. Dr. Thorsten Bley, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie*, schreibt die hohe Zahl der geforderten Untersuchungen in der Weiterbildung der Relevanz der Mammadiagnostik, aber noch mehr den spezifischen Anforderungen bei der Durchführung und Interpretation der Mammographien zu: „Radiologinnen und Radiologen müssen eine ganz besondere Sensitivität entwickeln, um die mikroskopisch kleinen Strukturen, den Mikrokalk, aufzuspüren sowie Überlagerungen im Weichgewebe der Brust von pathologischen Befunden unterscheiden zu können. Das erfordert eine immense Erfahrung, die durch Training anhand zahlreicher Untersuchungen erlangt werden kann.“ 

Radiologie: Dreh- und Angelpunkt im Brustzentrum - enger Austausch im Interdisziplinären Team 

Mit Detektivarbeit vergleicht Stephanie Sauer ihren Arbeitsalltag. Die Radiologin hat die europäische Prüfung für Brustbildgebung der European Society of Radiology (ESR) absolviert und trägt den Titel EBBI (European Board of Breast Imaging), der ihre Kompetenz in den Bereichen Mammographie, Ultraschall, MRT sowie bei der Durchführung von Brusteingriffen bescheinigt. „Wir müssen immer ein bisschen puzzeln, um herauszufinden, wo das Problem liegt. Das ist unglaublich spannend und sehr schön, da wir dabei eng mit den anderen Fachdisziplinen wie Pathologie, Gynäkologie, Onkologie, Chirurgie und plastische Chirurgie zusammenarbeiten.“ Einmal pro Woche sitzen sie gemeinsam im Rahmen der interdisziplinären Brustkonferenz (IBK) an einem Tisch und beraten über etwa 20 bis 25 neue Fälle. Es wird geprüft, ob der pathologische Befund zum Bild passt, ob das, was bereits an Befunden erhoben wurde wirklich der Gesamtausdehnung entspricht, welche Therapiebausteine am besten zur Person und zum Krankheitsbild passen. Die Radiologie habe hier einen großen Anteil an der Entscheidung über die weiteren Schritte. Neben dem wöchentlichen Tumorboard hat Stephanie Sauer täglich mehrmals Kontakt zu ihren Kolleginnen und Kollegen im Brustzentrum, um sich kurzfristig zu besprechen. „Da unsere Mammadiagnostik im Gebäude der Frauenklinik ist, sind wir räumlich nah beieinander, wovon auch die Patientinnen und Patienten extrem profitieren, da sie fast alle Termine unter einem Dach haben.“ Das sei schon besonders. 

Auch deshalb sei ihre Fachrichtung so schön und unterscheide sich von anderen radiologischen Bereichen: Sie hat stetigen Kontakt zu den Patientinnen und Patienten. Einige sieht sie, wenn sie mit einem Tastbefund oder einem unklaren Befund von niedergelassenen gynäkologischen oder radiologischen Praxen überwiesen werden, andere, wenn sie von der hausinternen Gynäkologie kommen, um deren Diagnostik zu ergänzen. „Wir bieten hier am UKW die komplette Palette der Diagnostik!“, so Sauer. „Und ich kann den gesamten Verlauf ihrer Erkrankung von Diagnosestellung bis Therapie und sogar noch der Nachsorge mitbegleiten.“

Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik am UKW ergänzt: „Die sehr enge und zukunftsweisende Kooperation zwischen Frauenklinik und der Radiologie unter dem gleichen Dach bringt enorme Vorteile für die Betroffenen. Enge Abstimmungen zwischen der Frauenklinik und der Radiologie optimieren die Versorgung der Patientinnen und führen zu einer deutlich höheren Qualität von der Diagnostik, über die multimodale präoperative Markierung bis hin zur individuellen Nachsorge. Es ist eine große Freude diesen Erfolg in einem hochmotivierten Team begleiten zu dürfen."

Mammasonographie – 2D- und 3D-Mammographie – Magnetresonanztomographie

Was beinhaltet die Mammadiagnostik? Die Ultraschalluntersuchung, auch Mammasonographie genannt, ist sehr breit verfügbar und vor allem bei dichtem Brustgewebe hilfreich. Die Mammographie hingegen ist nur in der Radiologie möglich. „Bei der Röntgenuntersuchung sehen wir Mikroverkalkungen, die wir sonst mit keiner anderen bildgebenden Modalität sehen“ erklärt Stephanie Sauer. In solchen Mikroverkalkungen können klassische Krebsvorstufen, ein so genanntes DCIS, stecken. Seit vielen Jahren gibt es im Brustzentrum ein Mammographiegerät mit integrierter Tomosynthesefunktion und seit letztem Jahr nun auch eine sehr gute Datenlage zum Einsatz der Tomosynthese in der Früherkennung. „Damit erhalten wir einen quasi 3D-Blick auf die Brust, was vor allem bei dichtem Brustgewebe hilfreich ist“, so Stephanie Sauer. Das dritte bildgebende Verfahren in der Mammadiagnostik ist die Magnetresonanztomographie (MRT). Dabei handelt es sich um eine funktionelle Bildgebung. „Ein Tumor der schnell wächst, hat einen hohen Energiebedarf und wird besonders gut durchblutet. Entsprechend gut nimmt er das Kontrastmittel auf, das wir dann auf den Bildern sehen“, erläutert Stephanie Sauer die Vorteile. Das MRT-Verfahren ist zur präoperativen Planung, aber speziell auch für Hochrisikopatientinnen nützlich, denen aufgrund einer familiären Häufung an Brustkrebserkrankungen oder besonderen Krebssubtypen ein intensiviertes Früherkennungsprogramm empfohlen wird. „Da man hier am allerschnellsten am allermeisten findet, erhalten diese Patientinnen bereits ab dem Alter von 25 oder 30 Jahren im jährlichen Rhythmus eine MR-Untersuchung“, so Stephanie Sauer, deren Forschungsschwerpunkt in einem Spezialbereich der MRT, der diffusionsgewichteten Bildgebung (DWI) liegt. 

Biopsie zur Abklärung von Befunden

Wird in der Bildgebung eine Auffälligkeit entdeckt, steht häufig eine Biopsie an, also die Entnahme einer Gewebeprobe aus Knoten und Herdbefunden. Auch die hat sich in den letzten Jahren mit dem Upright-Biopsiesystem für die Mammographie weiterentwickelt. Die Patientinnen liegen nicht mehr bäuchlings auf einem Tisch, sondern können aufrecht am Mammographiegerät sitzen. „Dadurch kommen wir an Stellen, die vorher nicht erreichbar waren“, erklärt Stephanie Sauer. Die Bildqualität sei besser und das Verfahren wesentlich schneller und angenehmer für die Patientinnen. Darüber hinaus kann ultraschallgesteuert oder im MRT biopsiert werden, oder natürlich operativ der Befund histologisch gesichert werden. Vor der offenen Biopsie wird die verdächtige Stelle in der Radiologie mit einem dünnen Draht markiert; ein Verfahren, das auch bei bereits bekanntem Brustkrebs im Rahmen der operativen Therapie zum Einsatz kommt. Die feingewebliche Analyse und Ausdehnung bestimmen das weitere Vorgehen. 

Wie wirkt sich das Mammographie-Screening aus? Laut Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch Instituts konnte gezeigt werden, dass in der Screening-Altersgruppe zuletzt weniger Frauen an fortgeschrittenen Tumoren erkrankten als vor Einführung des Screenings. Seit Ende der 1990er Jahre gehen die Sterberaten an Brustkrebs kontinuierlich zurück, zuletzt am stärksten bei Frauen zwischen 55 und 69 Jahren.

*Interview mit Prof. Dr. Thorsten Bley zum Programm Blended Learning Mammadiagnostik
 

Mitarbeiter sichtet am Computer Mammografie-Bilder
Bearbeitung der Fallsammlung „Blended Learning Mammadiagnostik“ © privat
Preisträger und Preisträgerinnen mit Urkunden
Verleihung des Eugenie-und-Felix-Wachsmann-Innovationspreises 2023 beim Deutschen Röntgenkongress 2023. V.l.n.r.: Prof. Dr. Michael Uder (Vorsitzender der Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie), Dr. Philip Gruschwitz, Dr. Sara Christner, Dr. Stephanie Sauer; © privat
Stephanie Sauer hält auf Röntgenkongress einen Vortrag
Dr. Stephanie Sauer, Leiterin der Gynäkologischen Radiologie am Uniklinikum Würzburg, präsentiert auf dem Deutschen Röntgenkongress 2023 das Konzept „Blended Learning Mammadiagnostik“. © privat
MRT-Bild eines 8 Millimeter großen Mammakarzinoms
Frühzeitige Detektion eines kleinen (8 mm) Mammakarzinoms der linken Brust bei einer 62-jährigen Patientin mit bekannter Genmutation im MRT. © Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, UKW
Mammographie-Bild zeigt mehrere Herde und bösartige Verkalkungen
Mammographie der linken Brust einer 59-jährigen Patientin mit Brustkrebs mit mehreren Herden und bösartigen Verkalkungen, die sämtlich im Rahmen der operativen Therapie entfernt werden müssen. © Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, UKW
Geräteaufnahme vom Upright-Biopsiesystem
Beim Upright-Biopsiesystem können die Patientinnen aufrecht am Mammographiegerät sitzen, wodurch mehr Stellen erreicht werden. Zudem ist das Verfahren schneller und angenehmer für die Patientinnen und liefert eine bessere Bildqualität. © privat

Zum Wohle von Mutter und Kind

Prof. Dr. Ulrich Pecks besetzt seit Oktober die Professur „Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft“ und ist Bereichsleiter Fetomaternale Medizin an der Frauenklinik in Würzburg. Mit der Akademisierung der Hebammenausbildung soll Klinik, Lehre und Wissenschaft noch besser verzahnt und harmonisiert werden.

Prof. Dr. Ulrich Pecks leitet ab Oktober 2023 den Studiengang Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft sowie den Bereich Fetomaternale Medizin an der Frauenklinik Würzburg. © Thomas Eisenkrätzer, UKSH

Die Begeisterung für die Geburtshilfe wurde bei Ulrich Pecks während seiner Ausbildung zum Krankenpfleger geweckt. Dort faszinierte und prägte ihn die enge Zusammenarbeit von Hebammen, Pflegekräften und Ärztinnen und Ärzten, die ein gemeinsames Ziel haben: Frauen in ihrer Schwangerschaft und rund um die Geburt zu stärken und zu begleiten. Die Gesundheit der Frauen vor, während und nach der Geburt wurde daher zu seinem großen Thema im späteren Medizinstudium, der Promotion und der Habilitation. Seine Ziele, sich für eine Familiengesundheit einzusetzen, haben sich weiter gefestigt. Für die Umsetzung böte die Universitätsmedizin Würzburg einen fruchtbaren Boden und mit seiner interdisziplinären Struktur und exzellenten Kolleginnen und Kollegen allerbeste Voraussetzungen. Er folgte dem Ruf der Universität Würzburg: Ab Oktober besetzt er den Lehrstuhl „Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft“ und ist Bereichsleiter Fetomaternale Medizin der Frauenklinik des Universitätsklinikums Würzburg.

Lehre und Klinik auf wissenschaftlichem Boden harmonisieren 

„Vom ersten Kontakt an habe ich in Würzburg eine große Willkommenskultur erfahren und gespürt, dass die Mutter-Kind-Gesundheit nicht nur eine Formalie ist, sondern sowohl am Uniklinikum als auch in der Medizinischen Fakultät der Universität ein großes Bedürfnis besteht, hier etwas aufzubauen“, freut sich Prof. Dr. Ulrich Pecks, der zuvor die Geburtshilfliche Abteilung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) am Campus Kiel geleitet hat und im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) ist. Der große Reiz seines künftigen Wirkungsfeldes in Unterfranken bestehe in der Verbindung zwischen dem Ausbau des Studiengangs Hebammenwissenschaft und der klinischen Leitung der Geburtshilfe. „Ich muss mich weder auf das eine noch auf das andere beschränken, sondern darf mit meiner Expertise alle drei Aspekte - die klinische Arbeit, die Lehre und die Wissenschaft – bestmöglich verzahnen.“ 

Die Strukturen in der Praxis seien vor allem in der deutschen Geburtshilfe oft noch fernab von dem was in der Schule gelehrt wird, und umgekehrt. Gerade mit der Akademisierung der Hebammenausbildung könne man diese Kluft sehr gut überwinden. In Mira Pflanz habe er vor Ort eine exzellente Studiengangleitung und Hebamme, mit der er diesen Gedanken gemeinsam angehen könne. Es sei bereits großartige Aufbauarbeit geleistet worden und es gebe viele weitere Ideen und Pläne. Unter anderem ist in Kooperation mit der Lehrklinik der Universität und der Studiendekanin Prof. Dr. Sarah König die Erstellung eines virtuellen Kreißsaals geplant, in dem Prozesse trainiert werden können, die später in der realen Betreuung bei der Geburt umgesetzt werden. „Auf die Überführung solcher Ausbildungs- und Trainingskonzepte in Zusammenarbeit mit den Hebammen im Kreißsaal, unserer leitenden Hebamme Marlene Winkler und kooperierenden Praxiseinrichtungen sowie Freiberuflerinnen freue ich mich ganz besonders,“ betont Ulrich Pecks.

Evidenzbasiertes Handeln 

In Würzburg wird der duale Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaft seit dem Wintersemester 2022 angeboten. 23 Studierende pro Jahr absolvieren in insgesamt sieben Semestern die vom Hebammenreformgesetzt (HebRefG) vorgegebenen 2.200 Stunden in der Praxis und ebenso viele Stunden in der Theorie. Neben den auf die Hebammentätigkeit fokussierten Modulen, die in jedem Semester des Studiums stattfinden, studieren die werdenden Hebammen naturwissenschaftliche und medizinische Grundlagen wie Physiologie, Anatomie und Pharmakologie, werden in rechtlichen Grundlagen zum Gesundheitssystem und sozialwissenschaftlichen Aspekten wie Kommunikation und Ethik geschult und erwerben eine wissenschaftliche Kompetenz. Das heißt, sie lernen, sich kritisch und selbstständig mit der sich fortentwickelnden Studienlage auseinanderzusetzen und ihre Arbeit nach immer neustem Kenntnisstand Evidenz-basiert auszurichten. Zudem lernen sie, Kommunikation und Beziehungsgestaltung professionell und partnerschaftlich umzusetzen und ihr Handeln und ihre Rolle in der Versorgung und im interdisziplinären Feld kritisch zu reflektieren. Damit sei Ulrich Pecks zufolge ein wichtiger Schritt erreicht, den Hebammenberuf in Analogie zu vielen anderen wissenschaftlichen Berufen qualitativ weiter aufzuwerten. 

Interprofessionelles Team und intersektorales Denken

Die moderne Geburtshilfe erfordere einen interprofessionellen Ansatz und ein intersektorales Denken. So möchte Ulrich Pecks Strukturen einer bedarfsorientierten Betreuung von Schwangeren und Gebärenden in Würzburg weiter ausbauen: „Die meisten Schwangerschaften verlaufen unkompliziert, und die Geburt kann hervorragend von einer Hebamme begleitet werden. Einen ärztlichen Dienst braucht es dabei nicht, er kann jedoch unmittelbar hinzugezogen werden, falls es zu unvorhersehbaren Ereignissen im Geburtsprozess kommt. Hingegen verlaufen manche Schwangerschaften mit Risiken oder Komplikationen für Mutter oder Kind, bei denen dann ein größeres Team für eine angemessene Betreuung aufgestellt wird.“. Eine frühzeitige Erkennung von Risiken hilft, die Schwangere der für sie optimalen Versorgungsstruktur zuzuführen, immer nach dem Grundsatz, so wenig wie möglich, so viel wie nötig und entsprechend der Vorstellungen und individuellen Bedürfnisse der Frau. Die Kooperation mit niedergelassenen beziehungsweise freiberuflich arbeitenden Kolleginnen und Kollegen ist hierbei besonders wichtig und sorgt für Sicherheit vor, während und nach der Geburt. 

Geburtshilfliches Wissenschaftsnetz: Daten für eine gesunde Zukunft!

„Die Geburtshilfe in Deutschland wurde im internationalen Vergleich auch wissenschaftlich in den vergangenen 40 Jahren leider vernachlässigt,“ bemerkt Pecks. Zum Beispiel gebe es keine genauen Zahlen zur Müttersterblichkeit in Deutschland. Es scheitert an Strukturen zur Datenerfassung und flächendeckenden Möglichkeiten, den Gesundheitszustand der Mütter im Zeitraum nach der Geburt zu beobachten. Die Mütter fallen aus dem Zahlenraster. Auch diesem Thema fühlt sich Ulrich Pecks, der Mitglied im Expertengremium auf Bundesebene für das Qualitätssicherungsverfahren Perinatalmedizin des Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen ist, verpflichtet.

Mit einem flächendeckenden, geburtshilflichen Register will Ulrich Pecks diese Lücken zukünftig schließen. Er hatte sich das Deutsche neonatologische Netzwerk (GNN), welches durch Prof. Christoph Härtel, Direktor der Würzburger Kinderklinik, mitaufgebaut wurde, zum Vorbild genommen. Während im GNN vorwiegend Daten zu versorgungsbedürftigen Neugeborenen erfasst werden, war es das Ziel von Ulrich Pecks, Daten der Mütter, ihrer Schwangerschaft und Geburt mit Daten des Kindes zu verknüpfen. „Wir standen schon in den Startlöchern“, sagt er. „Doch dann kam Corona.“ Aus dem geplanten Wissenschaftsnetz wurde kurzerhand CRONOS (das Akronym steht für Covid-19 Related Obstetric and Neonatal Outcome Study in Germany). In dem von der DGPM und dem Land Schleswig-Holstein geförderten Register hat das Studienteam Daten von mehr als 8.000 Frauen erhoben, die sich während ihrer Schwangerschaft mit SARS-CoV-2 infiziert hatten und konnte damit eine Grundlage zur Behandlung und Beratung betroffener Patientinnen geben. Die besonders schweren Verläufe wurden von einer Task Force aus Würzburg ausgewertet. „Im CRONOS-Projekt habe ich bereits sehr eng und ausgesprochen gut mit der Würzburger Anästhesie, allen voran dem Direktor Patrick Meybohm und Peter Kranke, dem Bereichsleiter der geburtshilflichen Anästhesie, mit Achim Wöckel, dem Direktor der Frauenklinik, und Christoph Härtel sowie vielen engagierten jungen Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet“, kommentiert Ulrich Pecks. Sein Ziel ist es nun, das Netzwerk unabhängig von Covid-19 von Würzburg aus fortzuführen. 

Mit einer Sprache sprechen und das Gleiche wollen

Ob geburtshilfliches Register, Diskussionsveranstaltungen, App-basierte Angebote für die wissenschaftliche Begleitung schwangerer Frauen oder innovative Lehrkonzepte für Studierende – Ulrich Pecks steckt voller Ideen. Die Arbeit in der Geburtshilfe und im Studiengang der Hebammen möchte er an einem Leitgedanken ausrichten, der einer Wertevorstellung und entsprechenden Werteakzeptanz folgt: „Wenn wir die Patientinnen mit ihren individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen unterstützen, dabei unsere eigenen Erfahrungen und Ideologien reflektieren und zum Wohle der Frau und des Kindes auf dem Boden gesicherter Erkenntnisse behandeln, dann sprechen wir alle mit einer Sprache und wollen das Gleiche.“ 

Zur Person: 
Ulrich Pecks wurde 1975 in Bremerhaven geboren und wuchs im rheinländischen Heinsberg auf. Nach dem Zivildienst absolvierte er eine Ausbildung zum Krankenpfleger und studierte direkt im Anschluss Humanmedizin - bis zum Physikum an der Universität zu Halle an der Saale, anschließend an der RWTH Aachen. Nach Famulaturen in der Unfallchirurgie im südafrikanischen Johannesburg und in der Kardiologie in Manchester (UK) festigte sich sein Wunsch, in die Frauenheilkunde zu gehen. Er promovierte in Aachen bei Professor Werner Rath zu Zellzyklusstörungen in der Plazenta bei Präeklampsie und HELLP-Syndrom, machte seinen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Jahr 2011 und setzte die Forschung später für ein Jahr in Bern (Schweiz) auf dem Gebiet der Langzeitgesundheit bei Mutter und Kind fort. Im Jahr 2013 kehrte Ulrich Pecks nach Aachen zurück, wurde Oberarzt und habilitierte 2014 zum Lipidstoffwechsel bei physiologischer und pathologischer Schwangerschaft. Ein Jahr später, 2015, ging er mit Professor Nicolai Maass ans Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. In Kiel befasste er sich zunächst mit dem Aufbau des Beckenbodenzentrums und übernahm im Jahr 2020 die Leitung der Geburtshilfe. Im Jahr 2023 folgte Ulrich Pecks dem Ruf der Universitätsmedizin Würzburg, wo er ab Oktober den Studiengang Hebammenwissenschaft mitverantwortet und von ärztlicher Seite weiterentwickelt. Darüber hinaus ist er Bereichsleiter der Fetomaternalen Medizin in der Frauenklinik. 

Prof. Dr. Ulrich Pecks leitet ab Oktober 2023 den Studiengang Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft sowie den Bereich Fetomaternale Medizin an der Frauenklinik Würzburg. © Thomas Eisenkrätzer, UKSH

Alles unter einem Dach, begleitet von einer Hand

Im Brustkrebsmonat Oktober informiert das Uniklinikum Würzburg (UKW) über interdisziplinäre Diagnostik und Therapien unter einem Dach und die persönliche und kontinuierliche Begleitung von Breast Care Nurses. Sie geben Patientinnen und Patienten, die an einer Brusterkrankung leiden, Stabilität in einer instabilen Situation.

Astrid Englert und Romy Liebers präsentieren in ihrem Büro Infomaterial, Prothesen und Kissen.
Die Breast Care Nurses Astrid Englert (links) und Romy Liebers begleiten am Uniklinikum Würzburg die Patientinnen und Patienten mit Brustkrebserkrankungen. Sie geben Raum für ihre Fragen und bieten validen Antworten. © Kirstin Linkamp / UKW

Brustkrebs ist die weltweit am häufigsten diagnostizierte Krebsart. Jede achte Frau in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens an einem Mammakarzinom, einem bösartigen Tumor, der vom Drüsengewebe der Brust ausgeht. Übrigens können auch Männer an Brustkrebs erkranken. Der Brustkrebsmonat Oktober macht auf die Situation von Erkrankten aufmerksam und stellt die Themen Prävention und Früherkennung sowie Brustkrebsforschung und -behandlung in den Fokus. 

Das UKW wirkt ganz zentral mit, wie die Brustkrebsversorgung in Deutschland aussieht und behandelt in seinem zertifizierten Brustkrebs- und Brustzentrum jedes Jahr mehr als 300 Betroffene mit der Neudiagnose Brustkrebs nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen. Unter einem Dach werden sämtliche operative und nicht-operative Therapieverfahren angeboten, die interdisziplinär geplant und auf die einzelne Patientin und den einzelnen Patienten zugeschnitten sind. Bei der Behandlung von Brustkrebs werden stets mehrere Therapieansätze miteinander kombiniert. Zwei Breast Care Nurses der Frauenklinik begleiten und unterstützen die Erkrankten individuell auf ihrem Weg. 

Breast Care Nurses bieten Raum für Fragen, Sorgen und Ängste

„Wir geben unseren Patientinnen und Patienten Stabilität in einer instabilen Situation.“ „Die Sorgen und Ängste der Betroffenen brauchen Zeit, und die haben wir.“ „Wir geben den Raum für Fragen und bieten valide Antworten.“ „Unsere Tür steht immer offen.“ Wenn Astrid Englert und Romy Liebers ihre Arbeit beschreiben, fallen Sätze wie diese. Seit Juli arbeiten die beiden als Breast Care Nurses (BCN) in der Universitäts-Frauenklinik. Die Pflegeexpertinnen für Brusterkrankungen bieten eine persönliche und kontinuierliche Begleitung für Frauen und Männer mit gut- und bösartigen Brusterkrankungen. Sie sind die zentrale Schnittstelle zwischen allen an Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge beteiligten Einrichtungen wie etwa den verschiedenen Stationen der Gynäkologie, der Radiologie, Strahlen- und Chemotherapie, Komplementärmedizin, plastischen Chirurgie, Psychoonkologie, Sozialdienst und Pflegeberatung, Selbsthilfegruppen und Sanitätshäusern.

Jede Patientin und jeder Patient sei anders, daher benötigen die Breast Care Nurses viel Fingerspitzengefühl, müssen individuell und lösungsorientiert handeln, entscheiden und vernetzen. Im Rahmen der Beratung wird stets nach dem passendsten Angebot gesucht – sei es eine Brustprothese, selbsthaftende Brustwarzen, Kissen auch für den Port oder bewährte Tipps gegen Nebenwirkungen der Therapien. Wenn dann die Anspannung im Gespräch nachlässt und die Patientin oder der Patient sich nach und nach befähigt fühlt, aktiv an der Genesung mitzuwirken, sei viel erreicht. Und das sei das Schöne an der Aufgabe, erzählt Astrid Englert.

Vorsorge: Gesunde Lebensweise und regelmäßiges Abtasten

Ob Frau oder Mann, noch nicht einmal 20 Jahre alt oder bereits über 90 - Astrid Englert und Romy Liebers erleben es tagtäglich, dass niemand vor einer Erkrankung der Brust gefeit ist. Doch dank umfangreicher Vorsorgemaßnahmen liegen die Heilungschancen heute bei über 90 Prozent. Das A und O, um Veränderungen im Brustgewebe frühzeitig zu erkennen und erfolgreicher behandeln zu können, ist das regelmäßige Abtasten der Brust. Jede Frau, egal welchen Alters, sollte einmal im Monat zuhause ihre Brust und die Lymphknoten bis zu den Achselhöhlen abtasten. Ab 30 Jahren sieht die gesetzliche Brustkrebs-Früherkennung auch ein jährliches Abtasten bei der Frauenärztin oder dem Frauenarzt vor. Zwischen 50 Jahren und bis 69 Jahren kann zudem aktuell alle zwei Jahre eine Mammographie in Anspruch genommen werden. Frauen mit einem höheren Brustkrebsrisiko können auch schon früher mit der Früherkennung beginnen. Weitere Informationen liefert die Webseite des Deutschen Krebsforschungszentrums dkfz.

Leitlinienentwicklung beim Mammakarzinom unter Würzburger Federführung 

„Zudem bietet wir am UKW eine Gendiagnostik und Früherkennungsmaßnahmen für Ratsuchende, die eine familiäre Belastung mit Brustkrebs oder Eierstockkrebs haben und ihr individuelles Risiko kennen möchten“, fügt Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Universitäts-Frauenklinik zu. Achim Wöckel ist hauptverantwortlich für die Entwicklung der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Optimierung der Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Die S3-Leitlinie ist die Leitlinie der höchsten Versorgungsstufe und regelt die Versorgung in Deutschland. Bei der Entwicklung kooperiert das UKW sehr eng mit mehr als 100 nationalen Expertinnen und Experten und verschiedenen Methodikerinnen und Methodikern, die der Redaktion die Evidenzen zur Verfügung stellen. Daraus werden jährlich neue Updates zum Mammakarzinom formiert. Die Leitlinien-Empfehlungen gehen dann wieder über in die Zertifizierungssysteme der Deutschen Brustkrebszentren. Zum Beispiel ist stets ein exponentieller Wissenszuwachs bei den medikamentösen Tumortherapien zu vermelden. „Die diesjährigen Evidenz-Recherchen von 130 Autorinnen und Autoren sind voll im Gange“, berichtet Achim Wöckel. „Die neuesten Daten werden derzeit gesichtet und in einer Konsens-Konferenz besprochen. Die daraus resultierenden Empfehlungen fließen dann Anfang nächsten Jahres in die Leitlinie.“

Mit BETTER-CARE individualisierte, bedarfs- und risikoadaptierte Nachsorge

Moderne Therapien bieten gute Heilungschancen. Dennoch bleibt immer ein Risiko, dass der Krebs zurückkommt, ein Rezidiv oder eine Metastasierung bildet, also gestreut hat. Umso wichtiger ist die Nachsorge. Und die hinkt hierzulande noch hinter dem Therapiefortschritt hinterher. „Die Nachsorge muss viel individualisierter, bedarfs- und risikoadaptierter werden. Und dafür benötigen wir ein wissenschaftlich untermauertes Konzept“, konstatiert Achim Wöckel. Im Rahmen der deutschlandweiten Studie BETTER-CARE entwickelt und prüft die Universitätsmedizin Würzburg derzeit eine bedarfsadaptierte und individualisierte Versorgung von Patientinnen und Patienten nach Ende einer primären Brustkrebsbehandlung. Insgesamt nehmen 30 deutsche Brustkrebszentren an BETTER-CARE teil, sie wurden per Zufallsverfahren der Interventionsgruppe oder der Kontrollgruppe zugeordnet. Das heißt, 15 Zentren bieten ausschließlich die herkömmliche Brustkrebsnachsorge nach S3-Leitinie an und 15 Zentren die BETTER-CARE-Nachsorge. Insgesamt sollen bis Ende 2023 etwa 1.140 Betroffene mit Brustkrebs in die Studie aufgenommen werden. Die Studie wird in enger Zusammenarbeit der Universitätsfrauenklinik Würzburg und dem IKE-B (Prof. Peter Heuschmann) durchgeführt. Weitere Informationen: www.better-care.health
 

Astrid Englert und Romy Liebers präsentieren in ihrem Büro Infomaterial, Prothesen und Kissen.
Die Breast Care Nurses Astrid Englert (links) und Romy Liebers begleiten am Uniklinikum Würzburg die Patientinnen und Patienten mit Brustkrebserkrankungen. Sie geben Raum für ihre Fragen und bieten validen Antworten. © Kirstin Linkamp / UKW

Muttermilchmanagement & Co.

Anlässlich der Weltstillwoche informiert das Uniklinikum Würzburg (UKW) über die Vorteile des Stillens für Mutter und Kind, das Gold der Muttermilch, und die Goldwerte Unterstützung von Stillberaterinnen, Hebammen und Pflegefachkräften in Frauen- und Kinderklinik.

Sylvia Königer stellt einen Träger mit Muttermilchflaschen in den Kühlschrank.
Die gelernte Kinderkrankenschwester Sylvia Königer arbeitet seit 24 Jahren im Ernährungszentrum für Säuglinge und Frühgeborene der Universitäts-Kinderklinik. © Kirstin Linkamp / UKW
Sylvia Königer füllt die Muttermilch in Spritzen
Sylvia Königer portioniert die zuvor abgepumpte Milch der Mütter für deren Neu- und Frühgeborenen auf der Säuglingsstation der Universität-Kinderklinik vor. © Kirstin Linkamp / UKW

Die Weltstillwoche wird seit 1991 jedes Jahr in 120 Ländern abgehalten und unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF unterstützt. In Deutschland findet sie immer in der 40. Kalenderwoche statt, in diesem Jahr vom 2. bis 8. Oktober. Mit der Weltstillwoche soll das Stillen als natürliche und selbstverständliche Ernährung für Säuglinge in den Mittelpunkt gestellt und über die positiven Effekte des Stillens informiert werden. Ein Anliegen, das das Universitätsklinikum Würzburg mit vereinten Stimmen und Kräften unterstützt. 

Vorteile für Mutter und Kind 

Muttermilch ist die ideale Nahrung für Säuglinge. Sie ist optimal an die individuellen Bedürfnisse angepasst und deckt im ersten Lebenshalbjahr den Bedarf an Nährstoffen und Flüssigkeit, die für ein gesundes Heranwachsen benötigt werden. 
Zudem unterstützt die Muttermilch die Bildung des kindlichen Immunsystems und stärkt die Darmflora. Einen Grund dafür hat Prof. Dr. Dorothee Viemann, Leiterin der Translationalen Pädiatrie in Würzburg, herausgefunden: Spezielle Moleküle, so genannte Alarmine, sind für die positive Wirkung verantwortlich. Sie seien das Gold der Muttermilch. Die Proteine sorgen dafür, dass eine optimale Bakterienvielfalt im Darm entsteht, die ein Leben lang bleibt und gegen viele Krankheiten, die mit einer Störung der Darmbesiedlung zusammenhängen, schützt. Die präventive Wirkung des Stillens ist laut Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG) wissenschaftlich belegt: Gestillte Kinder haben eine geringere Wahrscheinlichkeit für Übergewicht oder den plötzlichen Kindstod und erkranken seltener an Mittelohrentzündungen, Magen-Darm- und Atemwegsinfekten. 

Nicht nur das Kind, auch die Mutter profitiert von der Brusternährung. Stillende Mütter erkranken seltener an Diabetes mellitus, kardiovaskulären Erkrankungen sowie an Brust- oder Eierstockkrebs. Außerdem erreichen sie schneller wieder das Gewicht vor der Schwangerschaft. Darüber hinaus fördert das Stillen die enge Bindung zwischen Mutter und Kind.

Optimale Stilldauer: 4 oder 6 Monate ausschließlich stillen? 

Die optimale Stilldauer steht derzeit auf dem Prüfstand. Die WHO empfiehlt 6 Monate ausschließliches Stillen. Die Nationale Stillkommission (NSK), die beim Max Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, angesiedelt ist und bei der Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik am UKW, Leitlinienmitglied ist, untersucht derzeit die Empfehlung für die deutsche Leitlinie. Sollten Säuglinge vier oder sechs Monate ausschließlich Muttermilch erhalten? Ferner engagiert sich Achim Wöckel, der sich zu Brusterkrankungen der Stillzeit habilitierte, im Netzwerk Gesund ins Leben, wo er die Leitlinie für entzündliche Brusterkrankungen der Stillzeit, in der Fachsprache Mastitis, mitkoordiniert. Brusterkrankungen wie wunde Mamillen, Milchstau oder Mastitis gehören zu den häufigsten Abstillgründen. 

Stillförderung am UKW – investierte Zeit ist Gold wert 

In der Frauenklinik am Uniklinikum Würzburg stehen frisch gebackenen Müttern während des Aufenthalts ein Team aus drei Still- und Laktationsberaterinnen mit Rat, Informationen und praktischer Hilfe zur Seite. 
„Die Zeit, die wir in die Stillberatung investieren, ist Gold wert“, sagt Claudia Freudinger, leitende Stillberaterin in der Frauenklinik. „Bei Bedarf sind wir schon beim ersten Anlegen behilflich, beraten zu Stillpositionen und geben Tipps zur Schonung der Mamillen.“ Stillen soll nicht schmerzen. Oberste Regel: Der erste und der letzte Tropfen Muttermilch gehört der Mama zur Pflege der Mamillen. Die vielen Bestandteile der Milch schützen die Haut. Neben viel Luft und Licht, das die Mutter ihren Brüsten gegebenenfalls mit zu Donuts geformten Mullbinden verschaffen kann, helfe auch reines Wollfett, so genanntes Lanolin, oder eine Lasertherapie. Die sanften Laserstrahlen fördern die Wundheilung. 

Wichtige Unterstützung durch Väter und Bezugspersonen 

„Viele Mütter im Wochenbett sind sehr belesen, einige aber auch erstaunt darüber, dass die Nacht nicht mehr ihnen gehört. Denn ein Kind trinkt acht- bis zwölfmal am Tag, auch nachts“, schildert Claudia Freudinger ihre Erfahrungen. Eine große Unterstützung in der Zeit des Stillens und Abpumpens seien übrigens die Väter oder Partner und Partnerinnen, vor allem wenn die Mütter aufgrund von Komplikationen oder eines Kaiserschnitts in den ersten Tagen noch immobil sind. „Von der reinen mentalen Anwesenheit, einem strukturierten Vorgehen, dem Anreichen von Baby oder Hilfsmitteln, der Begleitung ins Bad oder Botendiensten, die Mütter tun sich leichter, dem Partner oder der Partnerin Aufträge zu erteilen als den Schwestern oder Hebammen,“ fasst Claudia Freudinger die wichtigen Beiträge der Bezugsperson zusammen. „Daher ist es uns sehr wichtig, diese feste Bindung bei der ganzen Familie von Beginn an zu stärken und unterstützen“ ergänzt Prof. Ulrich Pecks, der zum 1. Oktober die Leitung der Geburtshilfe am UKW und Professur für Mütterliche Gesundheit und Hebammenwissenschaft innehat.
Die Stillberaterinnen unterstützen die Mütter selbstverständlich auch, wenn das Stillen nicht möglich ist und zeigen, wie sie trotzdem die Entwicklung einer starken Eltern-Kind-Bindung fördern können, zum Beispiel durch möglichst häufigen Haut-zu-Haut-Kontakt.

Kolostrum: Die nähr- und immunstoffreiche Vormilch 

Auch in der Kinderklinik gibt es zur Stillberaterin ausgebildete Pflegekräfte, wie zum Beispiel Natalie Seeberger: „Wenn wir bereits vor der Geburt wissen, dass das Neugeborene auf unserer Kinderintensivstation betreut werden muss, beraten wir die Mütter auch schon in der Schwangerschaft über die Stillmöglichkeiten beziehungsweise die Milchgewinnung per Hand und durch Abpumpen“, berichtet sie. Auch über die Gewinnung des Kolostrums wird informiert. Die vor der Entbindung gebildete Vormilch der Mutter ist besonders reich an Nähr- und Immunstoffen. Vor allem Müttern mit einem Schwangerschaftsdiabetes wird empfohlen, das Kolostrum ab der 37. Schwangerschaftswoche zwei- bis dreimal täglich auszustreichen, in Spritzen zu sammeln, einzufrieren und zur Entbindung mitzubringen. Somit erhält das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt ausreichend Nahrung, die seinen Blutzuckerspiegel stabilisiert. 

Muttermilchmanagement in der Säuglingsernährung 

Für die Früh- und Neugeborenen, die in der Würzburger Universitäts-Kinderklinik betreut werden müssen, stellt das Ernährungszentrum für Säuglinge sicher, dass sie rund um die Uhr die Milch der eigenen Mutter erhalten. Hier bereitet ein Team aus drei Kinderkrankenschwestern und zwei Diätassistentinnen die zuvor abgepumpte Muttermilch auf. Die für die kleinen Patientinnen und Patientinnen lebenswichtige Nahrung wird unter strengsten hygienischen Auflagen behandelt, in Flaschen oder Spritzen gefüllt, etikettiert und ausgeliefert. Je nach ärztlicher Anweisung können patientenindividuell Supplemente, wie Fette, Kohlehydrate und Eiweiße, zugesetzt werden.
„Wir haben auf der Kinderstation gerade 24 Babys, die je nach Entwicklung zwölf, acht oder sechs Mahlzeiten benötigen. Das heißt, ich habe heute 60 Spritzen aufgezogen und 300 Flaschen vorbereitet“, bringt Sylvia Königer als Beispiel. Die gelernte Kinderkrankenschwester arbeitet seit 33 Jahren am Uniklinikum, seit 24 Jahren im Ernährungszentrum für Säuglinge und Frühgeborene. Das Zentrum wird fälschlicherweise oft als Milchküche bezeichnet, dabei ist die Säuglingsernährung eher ein Labor und Ort des Muttermilchmanagements, welches künftig noch erweitert werden soll. 

Kinderklinik plant Frauenmilchbank und Rooming-In 

„Wir planen derzeit, die Säuglingsernährung zu einer Frauenmilchbank auszubauen, in der auch der Einsatz von Spenderinnenmilch möglich ist“, schildert Prof. Dr. Christoph Härtel, der Direktor der Kinderklinik. „So können auch bedürftige Frühgeborene und kranke Neugeborene, bei denen die Milch der eigenen Mutter nicht ausreicht, ausschließlich mit humaner Milch ernährt werden.“ 

Zudem plant die Kinderklinik ein Rooming-In, ähnlich wie es auf den Zimmern der Wochenstation angeboten wird. Indem der neugeborene Schützling rund um die Uhr im Zimmer der Mutter bleibt, wird die Bindung unterstützt und das Stillen erleichtert. Für noch mehr Nähe sorgen die Pforzheimer Bettchen, die direkt ans Bett der Mutter angehängt werden können. 

Rooming-In – vor allem in der Pandemie 

Wie wichtig das so genannte Rooming-In ist, weiß auch Prof. Ulrich Pecks. Im von ihm geleiteten CRONOS-Projekt wurden Daten von mehr als 8.000 Frauen erhoben, die sich während ihrer Schwangerschaft mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Die Ergebnisse der Analyse des Stillens bei SARS-CoV-2-infizierten Müttern und der Umfrage unter den beteiligten Kliniken in Deutschland zum Stillen in der Pandemie wurden gerade im Journal of Human Lactation veröffentlicht. Ulrich Pecks: „Es ist bemerkenswert und schön zu sehen, wie hoch die Stillraten in den Kliniken in der Pandemie waren, die sich am CRONOS-Projekt beteiligt haben. Claudia Freudinger fügt erklärend hinzu: „Auch wenn die Pandemie vieles erschwert hat und viele den Besuch vermisst haben, die Ruhe auf den Stationen hat sich positiv auf die Stillsituation ausgewirkt.“ Neben den Strukturen zur Stillunterstützung ist es insbesondere das Rooming-In, das für eine hohe Stillrate sorgt. Das unterstreicht, wie wichtig die Mutter-Kind-Zusammenführung ist - auch bei Kindern, die nach der Geburt medizinisch versorgt werden müssen.“

Laktation, Stillen und Säuglingsernährung Teil der Hebammenausbildung 

Auch im Studiengang und der allgemeinen Hebammenausbildung spielen Laktation, also der natürliche Prozess der Milchproduktion, Stillen und die Ernährung von Neugeborenen und Säuglingen eine zentrale Rolle. „Es gehört zu den grundlegenden Kompetenzen einer Hebamme, während der Schwangerschaft und nach der Geburt und im Wochenbett bei allen Fragen, Entscheidungen und Problemen im Zusammenhang mit der Ernährung und Pflege des Neugeborenen zu unterstützen“, erklärt Mira Pflanz, die Leiterin des Studiengangs Hebammenwissenschaft am UKW.  

Muttermilch to go! Stillen im Beruf – kenne Deine Rechte 

Muttermilch ist praktisch, da stets verfügbar, hygienisch unbedenklich und wohl temperiert. Auch ein früher Einstieg in die Berufstätigkeit lässt sich inzwischen immer besser mit dem Stillen vereinbaren. Da aber nicht jede Stillende die umfassenden Regelungen zum Schutz der stillenden Mutter in der deutschen Gesetzgebung kennt, lautet das Motto der diesjährigen Stillwoche 2023 „Stillen im Beruf – kenne deine Rechte”. Die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung informiert: „Für Stillende gelten besondere Rechte im Beruf: Sie haben beispielsweise ein Recht auf Stillpausen während der Arbeitszeit, ihnen dürfen bestimmte Arbeiten nicht abverlangt werden und sie dürfen nicht nachts arbeiten.“
 

Sylvia Königer stellt einen Träger mit Muttermilchflaschen in den Kühlschrank.
Die gelernte Kinderkrankenschwester Sylvia Königer arbeitet seit 24 Jahren im Ernährungszentrum für Säuglinge und Frühgeborene der Universitäts-Kinderklinik. © Kirstin Linkamp / UKW
Sylvia Königer füllt die Muttermilch in Spritzen
Sylvia Königer portioniert die zuvor abgepumpte Milch der Mütter für deren Neu- und Frühgeborenen auf der Säuglingsstation der Universität-Kinderklinik vor. © Kirstin Linkamp / UKW

Vom Schwimmer im Strömungskanal

Die Universitätsmedizin Würzburg und ihr Spin-Off CatalYm zeigen in der Fachzeitschrift Nature Communications erstmals die Wirkung des Zytokins GDF-15 auf die LFA-1/Zelladhäsionsachse bei Tumor-assoziierten T Zellen. Eine erhöhte GDF-15-Expression beeinträchtigt die Immunantwort auf den Tumor und verhindert den Erfolg einer Immuntherapie.

Prof. Dr. Jörg Wischhusen und Dr. Markus Haake im Porträt
Jörg Wischhusen (links), Professor für Experimentelle Tumorimmunologie an der Universität Würzburg, und Markus Haake, Vice President Pharmacology bei CatalYm, forschen schon seit vielen Jahren am Wachstumsdifferenzierungsfaktor GDF-15. Wie GDF-15 die Immuntherapie bei soliden Tumoren beeinflussen kann, haben sie jetzt im Journal Nature Communications publiziert. © Dominik Gierke / CatalYm

Unser Immunsystem schützt uns vor körperfremden Eindringlingen oder krankhaft veränderten Zellen. Die Evolution hat jedoch Toleranzmechanismen entwickelt, die das Immunsystem zum Stillhalten bewegen. Ohne solche Toleranzsignale würde ein Embryo, der ja zur Hälfte väterliche Gene hat, vom mütterlichen Immunsystem abgestoßen werden. Aus eben diesem Grund ist die tumorimmunologische Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jörg Wischhusen in der Frauenklinik am Universitätsklinikum Würzburg angesiedelt. „Wir lernen von der feto-maternalen Toleranz“, erklärt Wischhusen. „Das heißt: Wir suchen nach Toleranzmechanismen, die den Fötus schützen und die sich Tumore zu eigen machen, um sich den gleichen Schutz zu verschaffen wie der Embryo.“

GDF-15 kann als Biomarker Versagen einer Immuntherapie vorhersagen

Schon vor vielen Jahren hat der Biochemiker mit seinem Team den Wachstumsdifferenzierungsfaktor GDF-15 (Growth/Differentiation Factor 15) als wichtige Zielstruktur identifiziert. Das Protein GDF-15 führt dazu, dass Immunzellen gar nicht erst zum Fötus gelangen, sondern einfach im Blutstrom am neuen, väterliche Antigene exprimierenden Gewebe vorbeischwimmen. Ein niedriger GDF-15-Spiegel bedeutet für Schwangere ein erhöhtes Risiko, dass ihr Immunsystem den Fötus abstößt. In der Krebstherapie wiederum geht ein erhöhter GDF-15 Spiegel mit einer schlechteren Prognose einher. In einer Studie im Wissenschaftsjournal Nature Communications konnte die Würzburger Arbeitsgruppe gemeinsam mit CatalYm, einer inzwischen in München beheimateten Ausgründung der Julius-Maximilians-Universität, zeigen, dass GDF-15 ein zentraler Faktor der Resistenz gegen Immuntherapien bei verschiedenen soliden Tumoren ist. Die Studie schlägt dabei den Bogen von molekularen Mechanismen über zelluläre Modelle und Mausmodelle bis hin zu Beobachtungen am Menschen. Untersucht wurden Melanome (Hauttumore) und Kopf-Hals-Tumore sowie im Tiermodell Kolon- und Pankreaskarzinome (Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs).

Hoher GDF-15 Spiegel bedeutet schlechte Prognose bei aktuellen Immuntherapien

Wie stark GDF-15 den Erfolg einer Immuntherapie beeinflusst zeigen Blutproben, die Melanom-Patientinnen und Patienten abgenommen wurden, bevor sie eine Immuntherapie mit anti-PD-1-Antikörpern erhielten. PD-1 steht für Programmed Cell Death 1 und ist der Rezeptor für den von vielen Tumoren exprimierten Liganden PD-L1, der T Zellen regelrecht entwaffnet. PD-1-Antikörper, die aus der heutigen Krebstherapie nicht mehr wegzudenken sind, unterbrechen dieses inhibitorische Signal, sodass die T Zellen wieder ihrer eigentlichen Arbeit nachkommen und den Tumor bekämpfen können. Immuntherapien mit diesen so genannten Checkpoint-Inhibitoren bieten vielen Krebspatientinnen und -patienten realistische Heilungschancen. Die Ansprechraten liegen aber bei den meisten Tumorarten im unteren zweistelligen Prozentbereich.

„Diejenigen Melanompatientinnen und -patienten, die eine niedrige GDF-15-Konzentration im Serum aufwiesen, hatten sehr gute Überlebenschancen, wohingegen diejenigen mit einem hohen GDF-15-Wert nicht auf die Immuntherapie angesprochen haben“, schildert Jörg Wischhusen anhand einer Kaplan-Meier-Kurve. „Dass Überlebenskurven basierend auf einem einzigen Marker so weit auseinandergehen ist einer der stärksten Effekte, die bislang beschrieben wurden.“

GDF-15 blockiert die Rekrutierung von LFA-1-abhängigen T-Zellen

Doch warum ist das so? Wie kann GDF-15 die Immunzellen so wirksam hemmen? Hier kommt das Integrin LFA-1 (leukozytenfunktionsassoziiertes Antigen 1) ins Spiel. Seine Bindung an das Adhäsions-Molekül ICAM-1 sorgt für eine entscheidende Zell-Zell-Interaktion, damit aktivierte Immunzellen an ihren Bestimmungsort gelangen. Wischhusen vergleicht die Immunzelle mit einem Schwimmer im Strömungskanal. Nachdem sie im Lymphknoten aktiviert wurde macht sie sich in der Blutbahn auf den Weg zum Tumor, schafft es aber nicht, sich mit ihren Armen, den Integrinen, an den Griffen im Strömungskanal festzuhalten, sich herauszuziehen und zum Tumor ins Gewebe zu gelangen, um diesen zu bekämpfen. Denn GDF15 verhindert die Aktivierung der Zelladhäsionsachse LFA-1/ICAM-1, es schwächt gewissermaßen die Schultermuskulatur des Greifarms der Immunzelle.

Neutralisierung von GDF-15 verbessert Immunantwort

„Tatsächlich ist dies die erste Studie weltweit, die eine Verbindung zwischen GDF-15 und der LFA-1/ICAM-1 Zelladhäsionsachse auf T-Zellen zeigt“, berichtet Dr. Markus Haake, Vice President Pharmcology der CatalYm GmbH und Erstautor der Studie. Somit sei GDF-15 ein interessanter Biomarker, aber auch eine Option in der Therapie, betont Haake, der als ehemaliger Mitarbeiter der AG Wischhusen CatalYm mitbegründet hat. Wenn GDF-15 die Rekrutierung von LFA-1-abhängigen T-Zellen blockiert, so könnte wiederum eine Blockade von GDF-15 die Infiltration der Immunzellen in den Tumor und schlussendlich den Erfolg der Immuntherapie verbessern.

Mit Visugromab verfügt das Biotech-Start-up CatalYm über einen Antikörper, der GDF-15 neutralisiert und mit einer Anti-PD-1-Therapie kombiniert wird. Die aussagekräftigen Daten aus der Phase-1-Studie belegen das erhebliche klinische Potenzial von Visugromab, das inzwischen in einer multizentrischen und internationalen Phase-2-Studie (GDFATHER = GDF-15 Antibody-mediaTed Human Effector Cell Relocation Phase 2) mit Würzburger Beteiligung untersucht wird.

Gelungene Translation und Hoffnung für verschiedene Tumorarten und Therapien

Jörg Wischhusen blickt stolz auf die gelungene Translation, die er mit seiner Arbeitsgruppe geschafft hat: „Wir haben den Mechanismus von der Idee über die ersten Daten, Entwicklung eines Antikörpers, Gewinnung von Investoren, dem Liefern weiterer Evidenz aus Modellen und aus klinischen Korrelationen soweit gebracht, dass dieser GDF-15-neutralisierende Antikörper jetzt klinisch eingesetzt wird.“

„Natürlich müssen wir noch vorsichtig sein, aber es gibt gute Anzeichen, dass die Immunzellen im Tumor landen und wir mit der Kombination aus GDF-15-neutralisierenden Antikörpern und Immuntherapie Menschen mit verschiedenen Tumorarten helfen können, für die es keine therapeutische Option mehr gibt und denen sonst wirklich nicht mehr geholfen werden kann“, blickt Markus Haake hoffnungsvoll in die Zukunft. 

Studie: Haake, M., Haack, B., Schäfer, T. et al. Tumor-derived GDF-15 blocks LFA-1 dependent T cell recruitment and suppresses responses to anti-PD-1 treatment. Nat Commun 14, 4253 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-39817-3

Operationsroboter live erleben: Infotag war ein voller Erfolg

Wie funktioniert eigentlich ein Operationsroboter? Antworten auf diese Frage fanden die Besucherinnen und Besucher beim Infotag „Operationsroboter live erleben“ am Samstag, den 15. Juli 2023, am Universitätsklinikum Würzburg.

OA PD Dr. med. Joachim Diessner aus der Frauenklinik mit dem Operationsroboter-System „Da Vinci" © UKW

Einer der Höhepunkte dabei: An einem Demonstrationsmodell des High-End-Operationsroboter-Systems „Da Vinci“ konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dessen Funktionsweise sogar selbst erproben.Das „Da Vinci Xi“ gilt als das derzeit fortschrittlichste auf dem Markt verfügbare Operationsroboter-System. Eines dieser über zwei Millionen Euro teuren Hochtechnologie-Geräte ist seit dem Jahr 2017 im Zentral-Operationssaal des Zentrums für Operative Medizin (ZOM) des Uniklinikums Würzburg (UKW) im Einsatz. Experten des UKW erläuterten beim Infotag in laienverständlichen Kurzvorträgen die Einsatzfelder der Robotik bei urologischen, kinderurologischen und gynäkologischen Eingriffen sowie bei der operativen Behandlung von Magen-, Speiseröhren- und Dickdarmkrebs.  

Operationsroboter selbst steuern

Einige Besucherinnen und Besucher steuerten den Operationsroboter sogar mal selbst. Möglich machte das ein Demonstrationsmodell eines „Da Vinci“ in der Magistrale des ZOM.

Zur Bildergalerie Impressionen vom Infotag Operationsroboter live erleben...

OA PD Dr. med. Joachim Diessner aus der Frauenklinik mit dem Operationsroboter-System „Da Vinci" © UKW

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