paper place Archiv 4. Quartal 2024

Semaglutid: Mehr als ein Mittel zur Gewichtsreduktion – Hoffnung für die Herzgesundheit

In einer aktuellen Studie hat die Translationale Forschung aus dem DZHI gemeinsam mit einem Team der Endokrinologie untersucht, wie Semaglutid, ein GLP-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1-RA) zur Behandlung von Übergewicht, auch positive Effekte auf das Herz haben kann.

Die Grafik zeigt, wie der Glucagon-like Peptide-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1-RA) Semaglutid die Funktion von Kardiomyozyten bei Ratten, die einer fettreichen/fruktosereichen Diät (HFD) ausgesetzt waren, wiederherstellt.
Die Grafik zeigt, wie der Glucagon-like Peptide-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1-RA) Semaglutid die Funktion von Kardiomyozyten bei Ratten, die einer fettreichen/fruktosereichen Diät (HFD) ausgesetzt waren, wiederherstellt. Mithilfe von Fluoreszenz- und Patch-Clamp-Technologien an isolierten Herzmuskelzellen demonstrierte das Team, dass Semaglutid die durch HFD ausgelöste Aktivierung von L-Typ-Calciumkanälen, erhöhte Kalziumspiegel im Zytosol und Hyperkontraktilität rückgängig macht. Diese Ergebnisse könnten erklären, warum GLP-1-RAs bei Patienten mit Adipositas, mit oder ohne Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion, von Vorteil sind, jedoch weniger bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion.
Portraitfoto von Vasco Sequeira und Ulrich Dischinger
Vasco Sequeira (rechts) und Ulrich Dischinger (links)

Bei stark übergewichtigen Ratten, die durch eine fettreiche Ernährung Herzprobleme entwickelt hatten, zeigte sich, dass die Funktion der Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) gestört war: verstärkte L-Typ-Kalziumströme und eine erhöhte Kalziumspeicherung im Sarkoplasmatischen Retikulum (SR). Das heißt: Der Kalziumhaushalt in diesen Zellen war überaktiv, was zu übermäßigen Kontraktionen führte.

Semaglutid konnte diese Überaktivität normalisieren. Es reduzierte die überschüssige Kalziumspeicherung in den Zellen und brachte die Funktion der Herzmuskelzellen auf ein gesünderes Niveau zurück. Diese Ergebnisse sind besonders wichtig für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpleistung (HFpEF), einer Form der Herzschwäche, die bei übergewichtigen Menschen häufig auftritt.

Neben der bekannten Wirkung auf das Gewichtsmanagement könnte Semaglutid also auch direkt das Herz schützen und die Lebensqualität von Betroffenen verbessern. Die Studie liefert mechanistische Beweise dafür, warum der Wirkstoff in klinischen Studien bereits positive Effekte bei herzkranken, übergewichtigen Patientinnen und Patienten gezeigt hat.

Die Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten, Semaglutid und ähnliche Medikamente gezielt zur Behandlung von Herzproblemen einzusetzen, bei denen der gestörte Kalziumhaushalt eine Rolle spielt. Weitere Studien könnten dazu beitragen, die Rolle dieser Medikamente bei der Therapie metabolisch bedingter Herzkrankheiten besser zu verstehen.

 

Vasco Sequeira, Julia Theisen, Katharina J. Ermer, Marie Oertel, Anton Xu, David Weissman, Katharina Ecker, Jan Dudek, Martin Fassnacht, Alexander Nickel, Michael Kohlhaas, Christoph Maack, Ulrich Dischinger. Semaglutide normalizes increased cardiomyocyte calcium transients in a rat model of high fat diet-induced obesity. ESC Heart Fail. 2024 Oct 31. doi: 10.1002/ehf2.15152. Epub ahead of print. PMID: 39482267.

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Die Grafik zeigt, wie der Glucagon-like Peptide-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1-RA) Semaglutid die Funktion von Kardiomyozyten bei Ratten, die einer fettreichen/fruktosereichen Diät (HFD) ausgesetzt waren, wiederherstellt.
Die Grafik zeigt, wie der Glucagon-like Peptide-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1-RA) Semaglutid die Funktion von Kardiomyozyten bei Ratten, die einer fettreichen/fruktosereichen Diät (HFD) ausgesetzt waren, wiederherstellt. Mithilfe von Fluoreszenz- und Patch-Clamp-Technologien an isolierten Herzmuskelzellen demonstrierte das Team, dass Semaglutid die durch HFD ausgelöste Aktivierung von L-Typ-Calciumkanälen, erhöhte Kalziumspiegel im Zytosol und Hyperkontraktilität rückgängig macht. Diese Ergebnisse könnten erklären, warum GLP-1-RAs bei Patienten mit Adipositas, mit oder ohne Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion, von Vorteil sind, jedoch weniger bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion.
Portraitfoto von Vasco Sequeira und Ulrich Dischinger
Vasco Sequeira (rechts) und Ulrich Dischinger (links)
Wie das Takotsubo-Syndrom die Herzfunktion beeinträchtigt

Das Takotsubo-Syndrom (TTS) auch als Broken-Heart-Syndrom bekannt, ist eine Sonderform der Herzinsuffizienz. Betroffene haben vorübergehend einen geschwächten Herzmuskel, häufig ausgelöst durch emotionalen oder körperlichen Stress.

Vasco Sequeira und Christoph Maack vor einem Mikroskop
Vasco Sequeira und Christoph Maack vom Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI)

Dabei funktioniert die linke Herzkammer vorübergehend nicht richtig, sie erweitert sich und es entstehen Wassereinlagerungen (Ödeme), wobei sich die Herzkranzgefäße interessanterweise nicht verengen. Die Mechanismen sind bisher nur unzureichend verstanden.

In einer in (Nature) Communications Medicine publizierten Studie haben Vasco Sequeira und Christoph Maack vom Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) mit Partnern aus Bad Oeynhausen, Oldenburg, Lübeck und Leiden die Herzmechanik bei Patientinnen und Patienten mit TTS im Vergleich zu gesunden Personen (CON) mithilfe einer fortschrittlichen Leitkatheter-Technologie analysiert. Die Technik ermöglicht sowohl Druck- als auch Volumenmessungen und erfasst spezifische Segmente in der linken Herzkammer, wodurch ein detailliertes Bild der Funktionsweise einzelner Herzabschnitte erstellt werden konnte. Die Ergebnisse zeigten, dass Menschen mit TTS eine ausgeprägte mechanische Dyssynchronie, also unregelmäßige Herzkontraktionen aufweisen, insbesondere in der Mitte und an der Spitze der linken Herzkammer, obwohl die elektrischen Signale normal waren, was auf eine mechanische und nicht auf eine elektrische Ursache für die eingeschränkte Herzfunktion hinweist. Ihr Herz pumpt weniger effizient Blut.

Das Verständnis dieser mechanischen Grundlage des TTS liefert neue Einblicke in die Herzfunktionsstörungen und unterstützt die Entwicklung verbesserter Diagnosemethoden und zukünftiger Therapien. Die Studie erweitert das Verständnis stressbedingter Herzerkrankungen und unterstreicht den Wert einer segmentalen Analyse, um wichtige Details der Herzmechanik aufzudecken. Mit weiterer Forschung könnten Behandlungsoptionen verfeinert werden, um die Herzgesundheit von Menschen mit Takotsubo-Syndrom und ähnlichen Erkrankungen besser zu unterstützen.

 

Jan-Christian Reil*, Vasco Sequeira*, Gert-Hinrich Reil, Paul Steendijk, Christoph Maack, Thomas Fink, Elias Rawish, Ingo Eitel*, Thomas Stiermaier*. Regional mechanical dyssynchrony and shortened systole are present in people with Takotsubo syndrome. Commun Med (Lond). 2024 Nov 1;4(1):223. doi: 10.1038/s43856-024-00641-5. PMID: 39487225; PMCID: PMC11530451.
*contributed equally

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Vasco Sequeira und Christoph Maack vor einem Mikroskop
Vasco Sequeira und Christoph Maack vom Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI)
Potenzial von Künstlicher Intelligenz zur Analyse kritischer Vorfälle in der Gesundheitsversorgung

Kritische Vorfälle in der Gesundheitsversorgung werden häufig zu wenig gemeldet, was die Patientensicherheit beeinträchtigt. In unserer Studie haben wir untersucht, wie Künstliche Intelligenz (KI) die Analyse und Kategorisierung von Meldungen in Critical Incident Reporting Systemen (CIRS) optimieren kann.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass KI-generierte Analysen in Bezug auf sprachliche Qualität, logische Ableitbarkeit und Fachkompetenz mit den Expertenanalysen vergleichbar sind. Die KI konnte zudem Meldungen eigenständig in thematisch relevante Kategorien einordnen, was eine systematische Analyse und Strukturierung der Vorfälle ermöglicht. Dieses automatisierte Feedback könnte die Akzeptanz und Nutzung von CIRS erheblich fördern, indem es Gesundheitsfachkräften zeitnah wertvolle Informationen liefert.

Diese Studie verdeutlicht das transformative Potenzial von KI-gestützten Ansätzen im Bereich der Patientensicherheit. Sie bietet einen Ansatz für die Weiterentwicklung von CIRS und eröffnet neue Perspektiven für den Einsatz von KI in der Gesundheitsversorgung. 

 

Carlos Hölzing, Sebastian Rumpf, Stephan Huber, Nathalie Papenfuß, Patrick Meybohm, Oliver Happel. The Potential of Using Generative AI/NLP to Identify and Analyse Critical Incidents in a Critical Incident Reporting System (CIRS): A Feasibility Case-Control Study. Healthcare (Basel). 2024 Oct 2;12(19):1964. doi: 10.3390/healthcare12191964. PMID: 39408144; PMCID: PMC11475821.

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Wissenschaftliche Auswertung der Würzburger Anschläge nach Entwicklung einer standardisierten Analysemethode

Terroranschläge stellen eine akute Bedrohung dar und die Bewältigung eines solchen Einsatzes ist eine große Herausforderung für Rettungskräfte und Krankenhäuser.

Karte der Terroranschläge 2016 und 2021 in Würzburg mit Einzeichnung der Rettungseinsätze und Krankenhäuser
Würzburg war 2016 Schauplatz eines Terroranschlags, bei dem vier Menschen mit einer Axt und einem Messer schwer verletzt wurden (Abb. 1). Der Rettungseinsatz wurde anhand spezieller Qualitätskriterien analysiert, es wurden Lehren gezogen und die Einsatzpläne wurden angepasst, um die Notfallvorsorge zu verbessern. Zwei wichtige Änderungen seit 2016 sind die geänderte Einsatztaktik (sofortiges Aufklären des Tatorts) und die erweiterte medizinische Ausrüstung für Terroranschläge. Fünf Jahre später (2021) kam es in Würzburg erneut zu einem Amoklauf mit einem Messer, bei dem drei Menschen getötet und neun Personen schwer verletzt wurden (Abb. 2). Quelle: Sci Rep. 2024 Oct 23;14:25087. doi: 10.1038/s41598-024-76267-3

Um entsprechende Einsatzkonzepte zu erstellen, weiterzuentwickeln und an neue Gegebenheiten anzupassen ist die Auswertung realer Einsätze und die Umsetzung der Erkenntnisse essentiell. Für die Analyse des Terroranschlages in Würzburg 2016 wurde von Forschenden der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie eine strukturierte Matrix entwickelt, die eine standardisierte Beschreibung der Einsätze und eine daraus abgeleitete, wissenschaftlich fundierte Formulierung der ‚lessons identified‘ ermöglicht. Mit dem Messerattentat von 2021 bestand nun die Möglichkeit, diesen aktuellen Einsatz nach der gleichen Methode auszuwerten und die beiden Einsätze direkt zu vergleichen. Die Auswertung erfolgte in einer interprofessionellen Arbeitsgruppe.

Von den 10 wichtigsten Erkenntnissen aus 2016 wurden sieben in die aktuellen Einsatzkonzepte integriert und im Einsatz erfolgreich umgesetzt. Drei der Erkenntnisse aus 2016 wurden nicht umgesetzt und lieferten wichtige Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen.

Fazit: Die am UKW entwickelte Auswertemethode ist gut auf Einsätze bei Terroranschlägen oder Amoklagen anwendbar. Es konnte gezeigt werden, dass auf Basis dieser Arbeit substantielle Verbesserungen der Einsatzkonzepte erreicht werden können.

 

Thomas Wurmb, Sebastian Kurz, Gerhard Schwarzmann, Herbert Trautner, Uwe Kinstle, Ulrich Wagenhäuser, Florian Koch, Markus Münch, Patrick Meybohm, Maximilian Kippnich. Application of quality indicators and critical lessons learned assessment as a research approach for the evaluation of rescue missions during terrorist attacks. Sci Rep. 2024 Oct 23;14(1):25087. doi: 10.1038/s41598-024-76267-3. PMID: 39443574; PMCID: PMC11499877.

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Karte der Terroranschläge 2016 und 2021 in Würzburg mit Einzeichnung der Rettungseinsätze und Krankenhäuser
Würzburg war 2016 Schauplatz eines Terroranschlags, bei dem vier Menschen mit einer Axt und einem Messer schwer verletzt wurden (Abb. 1). Der Rettungseinsatz wurde anhand spezieller Qualitätskriterien analysiert, es wurden Lehren gezogen und die Einsatzpläne wurden angepasst, um die Notfallvorsorge zu verbessern. Zwei wichtige Änderungen seit 2016 sind die geänderte Einsatztaktik (sofortiges Aufklären des Tatorts) und die erweiterte medizinische Ausrüstung für Terroranschläge. Fünf Jahre später (2021) kam es in Würzburg erneut zu einem Amoklauf mit einem Messer, bei dem drei Menschen getötet und neun Personen schwer verletzt wurden (Abb. 2). Quelle: Sci Rep. 2024 Oct 23;14:25087. doi: 10.1038/s41598-024-76267-3
Maschinelle Autotransfusion in der Geburtshilfe – Hintergrund und praktische Umsetzung

Postpartale Hämorrhagien, also übermäßige Blutungen nach der Geburt eines Kindes, sind mit einem hohen Transfusionsbedarf verbunden und zählen zu den häufigsten Ursachen mütterlicher Mortalität weltweit.

Ablaufschema der Übersicht der notwendigen Schritte vor einer ersten MAT-Anwendung, , das perioperative Vorgehen und Möglichkeiten der Projektweiterentwicklung
Übersicht der notwendigen Schritte vor einer ersten MAT-Anwendung, das perioperative Vorgehen und Möglichkeiten der Projektweiterentwicklung. MAT maschinelle Autotransfusion, PBM Patient Blood Management, QS-Maßnahmen Qualitätssicherungsmaßnahmen © CC BY 4.0; http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de

Die sogenannte maschinelle Autotransfusion (MAT), als integraler Bestandteil des Patient Blood Managements, ermöglicht es, das Wundblut der Patientin zu sammeln, aufzubereiten und an die Patientin zurückzugeben. Der MAT-Einsatz kann den Transfusionsbedarf wertvoller, allogener Erythrozytenkonzentrate während Kaiserschnitten reduzieren und zur Sicherheit und Genesung Gebärender beitragen. Trotz steigender Evidenz, die die Sicherheit und Effizienz der MAT belegt, wird die MAT bislang leidglich bei 0,07 % aller Geburten mit peripartalen Hämorrhagien in Deutschland angewandt. Der nachfolgende Artikel beleuchtet die aktuelle Evidenzlage sowie organisatorische und praktische Schritte, um die MAT in der geburtshilflichen Praxis sicher und erfolgreich zu implementieren.

 

Mischa J. Kotlyar, Vanessa Neef, Florian Rumpf, Patrick Meybohm, Kai Zacharowski, Peter Kranke. Maschinelle Autotransfusion in der Geburtshilfe – Hintergrund und praktische Umsetzung. Anaesthesiologie 73, 843–851 (2024).

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Ablaufschema der Übersicht der notwendigen Schritte vor einer ersten MAT-Anwendung, , das perioperative Vorgehen und Möglichkeiten der Projektweiterentwicklung
Übersicht der notwendigen Schritte vor einer ersten MAT-Anwendung, das perioperative Vorgehen und Möglichkeiten der Projektweiterentwicklung. MAT maschinelle Autotransfusion, PBM Patient Blood Management, QS-Maßnahmen Qualitätssicherungsmaßnahmen © CC BY 4.0; http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de
Antibiotikaeinsatz bei Harnwegsinfektionen in der bayerischen ambulanten Versorgung

Um Antibiotikaresistenzen und Nebenwirkungen zu vermeiden, empfehlen die deutschen Leitlinien bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen Fosfomycin, Nitrofurantoin, Pivmecillinam und Nitroxolin als Erstlinien-Therapie und raten von Breitbandantibiotika wie Fluorchinolonen und Cephalosporinen ab.

Eine retrospektive Analyse von 1,7 Millionen Antibiotikaverschreibungen für Harnwegsinfektionen in Bayern (2013–2019) zeigt positive Entwicklungen in Richtung leitliniengerechter Behandlungsstrategien. Während der Anteil von Fluorchinolonen aufgrund bekannter Nebenwirkungen erheblich sank, stieg die Verschreibung von Fosfomycin und Pivmecillinam deutlich an. Diese Trends wurden besonders bei weiblichen Patientinnen beobachtet.

Die Gynäkologie zeigte die höchste Adhärenz an Leitlinienempfehlungen, gefolgt von der Allgemeinmedizin und Urologie. Dennoch ergab die Analyse, dass ältere Patientinnen seltener mit Fosfomycin behandelt wurden, was auf Potenziale für Optimierungen hinweist. Mehrfache Antibiotikaverschreibungen innerhalb eines Behandlungsverlaufs waren häufig mit einem Wechsel der Substanzgruppe verbunden.

Die Ergebnisse betonen die Notwendigkeit weiterer Schulungen für Fachärztinnen und Fachärzte, um den Einsatz von Breitbandantibiotika zu minimieren und Resistenzen vorzubeugen. Leitliniengetreue Verschreibungsmuster könnten nicht nur die Patientensicherheit erhöhen, sondern auch langfristig die öffentliche Gesundheit stärken.

 

Thomas Hanslmeier, Sahera Alsaiad, Susann Hueber, Peter K. Kurotschka, Roman Gerlach, Ildikó Gágyor, Yvonne Kaußner. Prescription of antibiotics for urinary tract infections in outpatient care in Bavaria: An analysis of routine data. PLoS One. October 25, 2024. e0312620. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0312620

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Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Wahl der Allgemeinmedizin als Fachgebiet

Der wachsende Mangel an Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern stellt eine europaweite Herausforderung dar, insbesondere in ländlichen Gebieten.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, ist es wichtig, die Faktoren zu verstehen, die die Facharztwahl von Medizinstudierenden beeinflussen, und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um sie für die Allgemeinmedizin zu begeistern. Neben den Erfahrungen im Medizinstudium, ländlichen Praktika oder den Besonderheiten der Allgemeinmedizin spielen auch Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle bei der Facharztentscheidung der Studierenden. Das Institut für Allgemeinmedizin untersuchte daher die Persönlichkeitsmerkmale von Medizinstudierenden basierend auf dem Big-Five-Modell, das Persönlichkeit anhand der Dimensionen Offenheit für Erfahrungen (z. B. wie neugierig oder kreativ jemand ist), Gewissenhaftigkeit (z. B. wie organisiert oder pflichtbewusst jemand ist), Extraversion (z. B. wie kontaktfreudig oder gesellig jemand ist), Verträglichkeit (z. B. wie freundlich oder kooperativ jemand ist) und Neurotizismus (z. B. wie emotional anfällig oder gestresst jemand ist) misst.

Die Ergebnisse zeigen, dass höhere Werte bei Verträglichkeit und Neurotizismus mit einem gesteigerten Interesse an der Allgemeinmedizin korrelieren, während Offenheit und Gewissenhaftigkeit negative Zusammenhänge aufwiesen. Also freundliche, hilfsbereite und emotional sensible Persönlichkeiten sind offener für die Allgemeinmedizin, kreative, neugierige und strukturierte Persönlichkeiten sind offener für andere Fachrichtungen. 

Die Studie identifizierte auch, dass das generelle Interesse an der Allgemeinmedizin ein bedeutender Prädiktor für die spätere Wahl dieses Fachgebiets ist. Alter und Studiensemester hatten ebenfalls einen Einfluss auf das Interesse, während das Geschlecht keine signifikante Rolle spielte. Die Ergebnisse legen nahe, dass Persönlichkeitsanalysen in der Studienberatung eingesetzt werden könnten, um Studierende gezielt zu unterstützen und mehr Nachwuchs für die Allgemeinmedizin zu gewinnen. 

 

Maike Krauthausen, Tobias Leutritz, Martin J. Koch, Pamina E. Hagen, Sarah König & Anne Simmenroth. Personality and interest in general practice: results from an online survey among medical students. BMC Primary Care 25, 415 (2024). https://doi.org/10.1186/s12875-024-02682-0

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